„Ich bin so stolz auf mich!“, so Jessica Ahrens im Interview mit dem Hamburger Abendblatt
Bei alsterdorf assistenz west wird Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung konsequent umgesetzt – in der Fachsprache heißt das Personenzentrierung und Sozialraumorientierung. Das bedeutet, dass bei allen Leistungen der Wille der Klient*innen im Mittelpunkt steht. Um diesen von Anfang an gemeinsam zu ermitteln und daraus individuelle und passgenaue Unterstützungssettings zu entwickeln, gibt es die Teilhabelots*innen.
Sie sind die ersten Ansprechpartner*innen für potenzielle Klient*innen. Zentral für ihre Arbeit ist der Wille Letzterer, er ist richtungsweisend für den gesamten Prozess. Wie das dazu führt, dass Menschen sich ihrer persönlichen Stärken bewusst werden und anfangen, ihr Leben aktiv zu gestalten, zeigt die Geschichte von Jessica Ahrens und Teilhabelotse Henning Sievert.
Frau Ahrens, wie haben Sie früher gelebt?
Ich habe in einem Wohnheim eines anderen Trägers mit zehn Personen gelebt. Dort durfte ich meine Wäsche nicht selber waschen oder einkaufen gehen. Ich wollte aber mein Leben in die Hand nehmen. Ich habe dann bei den Teilhabelots*innen angerufen. Das war eine große Herausforderung, aber ich habe es gewagt.
Sie haben sich verschiedene Wohnungen angesehen – wie haben Sie denn die Besuche organisiert?
Ich habe selbst bei den Leitungen angerufen und mich vorgestellt. Henning hat mich ermutigt. Ich hatte mich dann für ein Wohnangebot entschieden. Da war zwar kein Platz frei, aber ich wollte darauf warten. Dort gab es eine Nachtbereitschaft, direkt neben meinem Zimmer. Das war zunächst wichtig für mich, denn ich hatte Angst vor der Nacht.
Es ist dann aber doch eine andere Wohnung geworden. Wie kam es denn dazu?
Ich wollte dann doch nicht mehr warten. Von meiner jetzigen Wohnung habe ich selber auf der Website der alsterdorf assistenz west gelesen, die ist nah an meiner Arbeit. Und in dem Viertel kenne ich mich gut aus. Auch hier habe ich alleine angerufen. Aber das Problem war, dass die Nachtbereitschaft dort nicht direkt im Haus ist, sondern ein paar Häuser weiter.
Wie konnten Sie das Problem lösen?
Es gab die Möglichkeit eines Hausnotrufes, mit dem kann ich schnell Hilfe rufen. Trotzdem hatte ich Angst. Henning hat mir eine Vorteil-Nachteil-Liste entworfen, mit der ich gearbeitet habe. Bei meiner jetzigen Wohnung war die Liste mit den Vorteilen ganz lang, da war der Wunsch dann stärker als die Angst.
Sind Sie zufrieden mit Ihrer Entscheidung?
Ja, ich habe mir die Zeit gegeben, die richtige Entscheidung zu treffen. Es hat fast zwei Jahre gedauert, aber ich bin zufrieden. Ich kann jetzt selber Wäsche waschen und essen was und wann ich will. Ich bin super stolz, dass ich meine Angst besiegt habe!
Welche Rolle hat Henning Sievert für Sie in dem ganzen Prozess gespielt?
Er hat mich immer wieder bestärkt, Schritte selbst zu machen, zum Beispiel in Hausgemeinschaften anzurufen. Und er hat mich alles in meinem Tempo machen lassen.
Herr Sievert, Sie waren als Teilhabelotse an der Seite von Frau Ahrens. Wie haben Sie ihren Weg empfunden?
Schon bei der ersten Begegnung wusste Frau Ahrens genau, was sie ändern wollte. Ihre Ängste haben sie manchmal blockiert, da war es wichtig, sie zu ermutigen. Über das Ergebnis freue ich mich sehr. So wenig Hilfe wie möglich, so viel Hilfe wie nötig – das ist meine Arbeitsweise: Keine Lösungen vorgeben, sondern dabei unterstützen, eigene Lösungsideen zu entwickeln. Ich habe die Rolle des Verklarers und des Begleiters eingenommen, aber die Entscheidungen hat sie getroffen. Das ist wichtig, denn nur das, was der Mensch selber macht, verleiht ihm Stolz und Würde.
Die alsterdorf assistenz west gGmbH ist ein Tochterunternehmen der Evangelischen Stiftung Alsterdorf und bietet Beratung, Assistenzleistung, Beschäftigungs- und Wohnangebote für Menschen mit unterschiedlichem Assistenzbedarf an. Das Portfolio umfasst Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Sozialpsychiatrie sowie sozialräumliche Angebote. Ziel ist es, Menschen mit Behinderung in ein nach ihren eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen gestaltetes Leben zut begleiten. Dabei sind die Grundsätze der Ressourcen- und Sozialraumorientierung leitend. csl