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Menschen mit Behinderungen stoßen im Gesundheitssystem auf viele Barrieren – mit drastischen Folgen. Das soll sich ändern: Die Evangelische Stiftung Alsterdorf trägt mit vielen Projekten, Angeboten und Initiativen zur Verbesserung der Gesundheit und medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderung bei

Gesundheit für alle: Inklusive Gesundheitsangebote für Menschen mit und ohne Behinderung

Menschen mit Behinderung haben, wie alle anderen auch, das Recht auf gute medizinische Versorgung

Herr S. ist an Epilepsie erkrankt. Aufgrund einer geistigen Behinderung kann sich der 48-Jährige nicht selbst äußern. Aus Angst vor ärztlichen Untersuchungen hat er sich seit vielen Jahren kein Blut abnehmen lassen. Dies wäre jedoch wichtig, um seine Epilepsie-Medikation überprüfen zu können. Die Inklusions-Lots*innen des Evangelischen Krankenhauses Alsterdorf erfahren von Herrn S.’ Wohngruppe, was ihn beruhigt: ein Kuscheltier in der Hand und Musik. Sie bauen schließlich eine Beziehung zu Herrn S. auf und tatsächlich kann er für einige Tage im Epilepsiezentrum behandelt werden. Das Ergebnis: Herrn S. geht es besser, er ist wieder agiler und aktiver.

Frau M. hat eine geistige Behinderung und wird von ihrer Mutter betreut. Schon lange leidet sie unter Rückenschmerzen, seit anderthalb Jahren will sie nur noch auf dem Boden liegen. Und sie hat panische Angst vor Ärzten. Bei einer Videosprechstunde nimmt der Orthopäde des Sengelmann Instituts für Medizin und Inklusion (SIMI) Kontakt zu ihr auf. Langsam gewinnt Frau M. Vertrauen. Sie willigt ein, im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf ein CT machen zu lassen. Eine Inklusions-Lotsin holt sie zu Hause ab. Als Frau M. doch noch einen Rückzieher machen will, sind auch die Leute vom Krankentransport geduldig. Schließlich kommt sie ins Krankenhaus und kann untersucht werden. Jetzt ist eine Diagnose möglich. Und eine Therapieempfehlung. Dafür werden der Hausarzt von Frau M. und ein Physiotherapeut eingebunden. Inzwischen kann Frau M. wieder fünf Stunden am Stück im Rollstuhl sitzen und das Haus verlassen.

Das Sengelmann Institut für Medizin und Inklusion (SIMI) ist eines der bundesweit ersten Medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderung. Interdisziplinarität wird hier großgeschrieben Fotos: Max Schröter
Das Sengelmann Institut für Medizin und Inklusion (SIMI) ist eines der bundesweit ersten Medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderung. Interdisziplinarität wird hier großgeschrieben Fotos: Max Schröter

Ein Recht auf gute medizinische Versorgung

Menschen mit Behinderung haben, wie alle anderen auch, das Recht auf gute medizinische Versorgung. So steht es in der UN-Behindertenrechtskonvention. Doch das Gesundheitssystem ist auf die besonderen Bedarfe dieser Zielgruppe nicht eingestellt. Deshalb werden bei vielen Menschen mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung Krankheiten oft nicht rechtzeitig erkannt und angemessen behandelt. Die Folgen: Sie leiden häufiger an Schmerzen, das Risiko eines frühzeitigen Todes steigt. Die Evangelische Stiftung Alsterdorf (ESA) in Hamburg setzt sich für Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in vielen Bereichen ein. Ein Schwerpunkt ist die Verbesserung der Gesundheit und medizinischen Versorgung von Menschen mit Behinderung. Bereichsübergreifendes Anliegen ist es, innovative Versorgungs- und Präventionsangebote zu entwickeln, die wohnortnahe Versorgung zu verbessern und das gesellschaftliche Bewusstsein für die Relevanz des Themas zu schärfen. Was heißt das konkret?

Beispiel Krankenhaus inklusiv: Das zur Stiftung gehörende Evangelische Krankenhaus Alsterdorf hat einen besonderen Versorgungsauftrag für die Zielgruppe und langjährige Erfahrung mit Diagnose und Therapie. Seit dem bundesweit ersten Qualitätsvertrag vom Oktober 2020 zur Versorgung von Menschen mit geistiger Behinderung oder mit Mehrfachbehinderung im Krankenhaus wurde die stationäre Behandlung fortlaufend verbessert, unter anderem durch ein effektives Aufnahme- und Entlassungsmanagement, eine Lotsin als feste Bezugsperson, unterstützte Kommunikation und Schulung der Mitarbeitenden. Bei den Patient*innen werden auf diese Weise Selbstbestimmung und informierte Entscheidungen gefördert.

Beispiel ambulante Versorgung: 2015 wurde das Sengelmann Institut für Medizin und Inklusion (SIMI) als eines der bundesweit ersten Medizinischen Zentren für erwachsene Menschen mit Behinderung eröffnet. Es steht für eine Interdisziplinäre Diagnostik und Therapieempfehlungen für Menschen mit Behinderung; die Zusammenarbeit mit Eingliederungshilfe und Krankenhaus ist eng.

Teilnehmer gesucht

Beispiel Gesundheitsförderung: Im Frühjahr ist das Innovationsfonds-Projekt „Besser gesund leben“ zur individuellen Präventionsberatung mit den Themen Ernährung, Bewegung, Stress und Sucht gestartet. Es werden noch Teilnehmende mit Behinderung gesucht, die mehr darüber erfahren wollen, was sie selbst für ihre Gesundheit tun können.

Seit Anfang des Jahres gibt es auch bei Werkstätten in allen Hamburger Bezirken das Angebot „Fit im Team“. Menschen mit und ohne Behinderung bilden dafür ein Tandem und erfahren gemeinsam, wie sie ihre Gesundheit im Alltag stärken können.

Neben der Entwicklung von praktischen Verbesserungen in der Versorgung und Prävention bemüht sich die Evangelische Stiftung Alsterdorf auch darum, das Bewusstsein für das Thema zu schärfen und Mitstreiter*innen zu gewinnen. Deshalb hat sie die Initiative „Gesundheit für alle – jetzt!“ ins Leben gerufen. „Unter diesem Motto laden wir zum Austausch und zur Vernetzung ein. Gemeinsam mit starken Kooperationspartnern tragen wir dazu bei, unser Gesundheitssystem inklusiver zu machen“, sagt Uwe Mletzko, Direktor der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.

Für neue Angebote gibt es meistens keine Regelfinanzierung im Gesundheitssystem. Teil des Engagements ist es daher auch, Spender und Stiftungen zu gewinnen, die eine Anschubfinanzierung für die Umsetzung von Ideen leisten. Ziel dabei: die Angebote erproben und in eine Regelfinanzierung überführen. csl

Weitere Infos: www.gesundheit-fuer-alle.jetzt
 

Gesundheit für alle: Inklusive Gesundheitsangebote für Menschen mit und ohne Behinderung Image 2
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