Hamburger Verein Deutsche Muskelschwund-Hilfe: 40 Jahre Hilfe für Betroffene
Finn ist 14 Jahre alt und hat Duchenne-Muskeldystrophie, eine unheilbare und fortschreitende Muskelerkrankung. Wie viele Jahre ihm noch bleiben, kann niemand sagen, doch mit seiner Krankheit zu leben, das hat er längst gelernt. An seinem Elektrorollstuhl klebt ein Schild mit der Aufschrift „Warum soll ich laufen? Ich habe doch vier gesunde Räder!“ So locker ging seine Familie jedoch nicht immer mit der Situation um. Seine Eltern bekamen die Diagnose schonungslos mitgeteilt, als Finn gerade mal drei Jahre alt war. „Für uns brach eine Welt zusammen“, erinnert sich Kerstin, Finns Mutter. „Doch schon bald danach nahmen wir Kontakt zur Muskelschwund-Hilfe auf, wo wir uns zum ersten Mal so richtig verstanden fühlten. Und wir schöpften erstmals die vage Hoffnung, dass unser Leben vielleicht doch noch nicht vorbei sein könnte“, so Kerstin weiter. Heute führt Finn ein fast ganz normales Leben. Er geht zur Schule, hasst Vokabellernen, liebt die Formel 1 und komponiert Musik mit einem DJ-Programm. Was Jugendliche in dem Alter halt so machen. Okay, mit seinen Kumpels Fußball spielen kann er nicht. „Aber ich kann sie anfeuern und muss mir nicht selbst die Hacken abrennen“, sagt er und grinst.
Es begann im Sommer 1982
Menschen Mut zu machen und sie dabei zu unterstützen, ein möglichst autarkes und selbstbestimmtes Leben zu führen, war das Ziel des Gründers des Hilfevereins, Joachim Friedrich. Im Sommer 1982 – im Radio läuft die Neue Deutsche Welle, Helmut Kohl ist kurz davor, Bundeskanzler zu werden und der HSV steht an der Tabellenspitze – verfasst er mit ein paar Mitstreitern am Wohnzimmertisch eine Satzung und im September gründet er die Deutsche Muskelschwund-Hilfe mit Sitz in Hamburg. Heute, vier Jahrzehnte später, ist Dirk Rosenkranz Vorsitzender des Vereins. „Mir ist es sehr wichtig, dass wir das Lebenswerk von Joachim Friedrich weiterführen und Menschen mit Muskelschwund in ganz Deutschland eine wichtige Stütze sind“, erklärt Rosenkranz, der selbst muskelkrank ist. „Wir freuen uns, wenn wir Menschen zu einer besseren Teilhabe verhelfen und sie durch unsere Unterstützung mehr Lebensqualität gewinnen.“
FSJler im Einsatz für muskelkranke Kinder und Jugendliche
Einer der Schwerpunkte der Vereinsarbeit ist die Bereitstellung von Schulbegleiter*innen, die bei der DMH ihr Freiwilliges Soziales Jahr absolvieren. Schüler wie Finn brauchen Hilfe beim An- und Ausziehen, bei Toilettengängen und bei der Bereitstellung der Schulmaterialien. Oftmals entstehen aus dieser sozialen Kooperation lange Freundschaften, denn prägend ist diese Zeit auch für die Helfer. „Durch unsere FSJler haben muskelkranke Kinder eine reelle Chance, einen guten Schulabschluss zu machen, zu studieren und auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“, betont Daniela Flesch, die FSJ-Koordinatorin des Vereins, die jedes Jahr alles daransetzt, „ihre Kiddies“ gut zu versorgen. Gerade ist der Verein wieder auf der Suche nach neuen männlichen und weiblichen FSJlern. Wer Interesse hat, möge sich bitte melden.
Prominenter Unterstützer mit großem Herzen
Nicht lange nach der Vereinsgründung besuchte Joachim Friedrich mit einer Gruppe Duchenne-Jungen ein Spiel des HSV im Volksparkstadion. Uwe Seeler wurde auf die Truppe aufmerksam, erkundigte sich nach der Krankheit der Jugendlichen und beschloss noch am selben Tag, den Verein zu unterstützen. „Ich habe meinen Erfolg meinen gesunden Muskeln zu verdanken. Nun möchte ich Menschen etwas zurückgeben, die dieses Glück nicht haben“, sagte er damals. Bis zu seinem Tod am 21. Juli dieses Jahres stand er dem Verein treu zur Seite. „Wir sind Uwe Seeler zutiefst verbunden, er war ein wunderbarer Mensch. Dass wir es geschafft haben, den Verein im Sinne des Vereinsgründers weiterzuführen und auf eine solide Basis zu stellen, haben wir unter anderem auch ihm zu verdanken“, erklärt Dirk Rosenkranz. Weiter berichtet er: „Unser Jubiläum werden wir im Garten der Schmetterlinge in Friedrichsruh feiern, denn auch mit der Fürstin von Bismarck verbindet uns eine lange Tradition. Wir freuen uns besonders, dass unser Schirmherr, Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher, ein paar Worte zur Begrüßung sagen wird. Wie gerne hätten wir auch ‚uns Uwe‘ dabeigehabt.“ mh
Der Verein
Die Deutsche Muskelschwund-Hilfe e. V. (DMH) ist eine gemeinnützige Patientenorganisation, die Menschen mit einer unheilbaren neuromuskulären Erkrankung auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben begleitet. Die Mitarbeiter kennen Muskelerkrankungen aus eigener Erfahrung und verfügen über eine hohe Kompetenz und ein großes Verständnis für die Sorgen von Muskelkranken. Umfassende Beratung, Hilfe bei Widersprüchen, Bereitstellung von Schulbegleitern und Selbsthilfegruppen gehören ebenso zum Tätigkeitsfeld der DMH wie gesellschaftspolitische Stellungnahmen zu Themen wie Teilhabe, Inklusion und Barrierefreiheit. Das Angebot der DMH ist kostenfrei.
Die DMH finanziert sich ausschließlich aus Spenden. Die finanzielle Basis des Vereins zu sichern, ist jedes Jahr eine große Herausforderung. Spenden sind daher erwünscht.
Wer mehr über die Arbeit des Vereins erfahren möchte, ist eingeladen, die neue Website www.muskelschwund.de zu besuchen.
Deutsche Muskelschwund-Hilfe e. V.
Tel. 040/32 32 31-0
Spendenkonto: DE66 2005 0550 1230 1250 05