Im Tempel der Lernenden: Gurdwara Singh Sabha in Lokstedt
Unscheinbar sieht die Gurudwara, das Gemeindezentrum der Sikhs im Grandweg 97 nur von außen aus. Beim Betreten des Gebäudes, das die Gläubigen 1995 nach dem Umbau bezogen haben, steigt der Duft indischer Gewürze und Chai Tees in die Nase. In der großen Küche wird täglich ein gemeinsames Essen, der Langar, gekocht. Gemeinsam mit dem Sikh-Priester Jaswant Singh geht es – barfuß und mit einer Kopfbedeckung – in den ersten Stock, wo auf einem mit Tüchern, frischen Blumen und Schwertern geschmückten Podest der Guru Granth Sahib, die heilige Schrift der Sikhs, unter einem reich verzierten Tuch ruht.
„Das Buch ist heilig. Für uns lebt es. Es gibt uns Hinweise zur richtigen Lebensführung“, erklärt Balwinder Singh-Ghotra vom Gemeindevorstand. „Gott ist da, aber wir müssen an ihn denken, um ihn kennenzulernen.“ Das geht am besten in der Meditation und dem Gebet, was Sikhs täglich praktizieren: „Morgens um vier Uhr ist die beste Zeit“, erklärt Balwinder Singh-Gothra. Aus den Schriften wird jeden Sonntag beim Gottesdienst gelesen, anschließend werden begleitet von Harmonium und Tabla Kirtans gesungen.
„Fünf Gemeindemitglieder bereiten jeden Morgen das Podest für das Buch vor“, erklärt Balwinder Singh-Ghotra und gewährt einen Blick in den kleinen Nebenraum, in dem ein Himmelbett für die nächtliche Aufbewahrung der heiligen Schrift bereitsteht.
Keine Kasten
In Hamburg leben ungefähr 1200 Sikhs, schätzt Balwinder Singh-Gothra. Der Sikhismus ist eine relativ junge Religion, die im 15. Jahrhundert von Guru Nanak begründet wurde: „Ein mutiger Mann, für den alle Menschen gleich waren, es gab keine Kastenunterschiede für ihn.“ Die Sikhs (übersetzt „Lernende“), glauben, dass Gott in jedem von uns ist, die Verbindung zu ihm aber nur in der Stille aufgenommen werden kann. Und da alle Menschen gleich sind, ist eine ethische Lebensführung wichtig, zu der neben dem Gebet ehrliche Arbeit, Achtsamkeit und das Teilen der Verdienste gehört. mf