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Karrierechancen für Hauptschüler

Handwerk, Gastgewerbe und Lagerberufe – wo sich besonders viele freie Lehrstellen finden lassen

Wer Koch werden will, kann das Ziel auch mit Hauptschulabschluss erreichen. FOTO: GETTY/ISTOCK
Wer Koch werden will, kann das Ziel auch mit Hauptschulabschluss erreichen. FOTO: GETTY/ISTOCK
Bettina Brüdgam

Die Möglichkeiten sind besser, als man denken mag: „Ein Hauptschulabschluss eröffnet zahlreiche Chancen der Ausbildung und für eine spätere Karriere“, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher der Agentur für Arbeit in Hamburg. Dennoch gelte für den Einstieg ins Berufsleben, die Bodenhaftung zu behalten und die Alternativen pragmatisch abzuklopfen.

Erste Adresse für Hauptschüler bei der Suche nach einer Lehrstelle sind oft die Handwerksbetriebe. „Der Trend zum Abitur schwappt allerdings auch auf das Handwerk über“, sagt Oliver Thieß, Leiter Bildungspolitik bei der Handwerkskammer Hamburg. Insbesondere anspruchsvolle Ausbildungsgänge wie Augenoptiker oder Mechatroniker zögen auch Gymnasiasten an. Mit 40 Prozent seien Hauptschüler jedoch nach wie vor die größte Gruppe unter den Azubis im Handwerk. „Grundsätzlich stehen Hauptschülern die Türen aller Handwerksberufe weit offen“, so Thieß. Zudem suchen die Betriebe derzeit verzweifelt Nachwuchs, da drücken viele selbst bei schlechten Noten schon mal ein Auge zu.

Auch anderswo bieten sich aussichtsreiche Möglichkeiten. „Etwa im Einzelhandel, in Lagerberufen oder im Gastgewerbe werden Hauptschüler sehr gerne genommen“, sagt Fin Mohaupt, Leiter für die Aus- und Weiterbildungsberatung bei der Handelskammer Hamburg. Für angehende Bankkaufleute, Außenhändler oder Schifffahrtskaufleute setzten die meisten Firmen allerdings einen höheren Abschluss voraus.

„Anspruchsvolle Ziele sind gut, sie sollten jedoch realistisch sein“, rät Böhrnsen. Für eine bessere Einschätzung könne es helfen, mit den Eltern oder Freunden über Perspektiven und Fähigkeiten zu sprechen. Der Traumjob sei sonst auch über Umwege und eine parallele Weiterbildung erreichbar. „Es gibt immer wieder Ärztinnen, die als Krankenschwester angefangen haben“, so Thieß.

Bei einigen Ausbildungsberufen können die Jugendlichen mit einer zweijährigen Lehre starten–so beim Änderungsschneider, der Fachkraft für Metalltechnik oder dem Kaufmann für Lagerlogistik.Wer möchte, kann später ein weiteres Jahr anhängen und so die Qualifikation erweitern. „Bereits nach der zweijährigen Ausbildung kann man in Hamburg automatisch den Realschulabschluss erwerben“, sagt Mohaupt. Voraussetzung ist ein Notendurchschnitt in der Abschlussprüfung von mindestens 3,0.

„Vielen Jugendlichen liegt eher das Praktische, sie fühlen sich in einem Betrieb wohler als in der Schule“, sagt Böhrnsen. Die wahren Talente entfalten sich dann erst in der Praxis.

Betriebspraktika erleichtern den Einstieg in die Lehre

Maßgeschneiderte Praktika können den Zutritt erleichtern. Der Kupferkonzern Aurubis hat bereits im Jahr 2007 das Programm 9-Plus (heute AV10-Plus) aufgelegt, über das jährlich bis zu zwölf einjährige Betriebspraktika als Einstieg für Jugendliche mit dem ersten Schulabschluss angeboten werden. In dieser Zeit werden sie auf den angestrebten Beruf vorbereitet, Aurubis übernimmt später etwa 85 Prozent der Praktikanten in eine Lehre.

„Aber auch kürzere Praktika funktionieren gut als Türöffner“, betont Thieß. Hier können die Jugendlichen ihre Motivation unter Beweis stellen. „Viele Betriebe verlangen ohnehin vor der Einstellung ein kurzes Praktikum, manchmal sind es nur zwei Tage.“Wer als Bewerber dies gleich von sich aus anbietet, sammle schon mal wichtige Punkte.Ein höflicher Umgangston, Pünktlichkeit, Interesse am Job sowie Kritikfähigkeit seien den Inhabern der Handwerksbetriebe oft wichtiger als ein gutes Schulzeugnis.

„Einige Unternehmen laden im Bewerbungsverfahren inzwischen nur noch zu einer Art Speeddating ein, um die Generaltugenden abzuklopfen“, berichtet Mohaupt. Einen Einstellungstest, der die Mathe- und Deutschkenntnisse abfragt, gibt es bei ihnen nicht mehr. „Viele Firmen stellen den Jugendlichen in der Ausbildung bei Bedarf sogar Nachhilfelehrer an die Seite, um Lücken aus dem Schulunterricht aufzufüllen“, so Böhrnsen. Wer Karriere machen möchte, hat später mit einem Hauptschulabschluss gute Perspektiven.Im Handwerk kann man nach der Gesellenprüfung den Meister machen, zum Polier oder Vorarbeiter- oder ins mittlere Management aufsteigen. „Jährlich nehmen wir in Hamburg 500 Meisterprüfungen ab“, sagt Thieß.

Extra-Info

Freie Stellen: „Die Betriebe suchen händeringend motivierte Kandidaten“, sagt Knut Böhrnsen von der Agentur für Arbeit. Freie Lehrstellen als Asphaltbauer, Bauwerksabdichter, Konditor, Fachkraft für Metalltechnik oder Hafenschiffer.

Weitere Informationen und Onlinebörsen: hk24.de; hwk-hamburg.de; jba-hamburg.de; jobboerse.arbeitsagentur.de
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