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Tennis in Hamburg 03/2018

Davis Cup Überraschung perfekt

Alexander Zverev hatte die Halle im Griff. Man konnte meinen, er spielte für Australien. Seine bisher schwache Davis Cup Gesamt- Bilanz von 1:4 verbesserte er durch die beiden Siege auf 3:4.

Alexander Zverev hatte die Halle im Griff. Man konnte meinen, er spielte für Australien. Seine bisher schwache Davis Cup Gesamt- Bilanz von 1:4 verbesserte er durch die beiden Siege auf 3:4.

Australien – Deutschland (1:3) in Brisbane

Alexander Zverev: „Ich entschuldige mich bei den australischen Fans für meinen Sieg, möchte euch aber sagen, dass ihr die fairsten Zuschauer weltweit seid. Dies ist mit ein Grund, warum ich Australien so liebe und immer wieder hierher zurückkommen werde.“

Mit diesen Worten kurz nach seinem 6:2, 7:6, 6:2 Sieg gegen Nick Kyrgios hatte Alexander Zverev die vollbesetzte Pat Rafter Arena von Brisbane plus ganz Tennis Australien endgültig hinter sich gebracht. Nach welchem Davis Cup Match hat man schon mal gesehen, dass die Auswärtsmannschaft, die auch noch gerade das eigene Team in die Abstiegsrunde beförderte, nicht nur mit Beifall überschüttet wurde, sondern auch der größte „Aussie Fanatic“ Fan seine nationale Brille absetzte und Selfies mit den deutschen Spielern schiessen wollte. Das deutsche Team punktete sympathiemäßig in Australien und der DTB muss aufpassen, dass Alexander Zverev und Co nicht in Kürze australische Pässe ihr Eigen nennen.

Es passte endlich mal alles zusammen, und ein wenig mehr Glück als sonst hatte sich auf die Seite des deutschen Teams geschlagen. Alexander Zverevs Sieg am Freitag nach einem 0:3 Rückstand im fünften Satz gegen den australischen Newcomer Alex de Minaur und der Fünfsatzerfolg im Doppel von „Tim und Struffi“, alias Tim Pütz und Jan Lennard Struff, gegen die stärker eingeschätzten Matthew Ebden und John Peers hätten auch anders ausgehen können.

Der nur Insidern bekannte, geborene Frankfurter Tim Pütz ist bis zum vergangenen Jahr nur mit seinem „Golden Set“ in der oberen Abteilung der Profiszene aufgefallen. Golden Set bedeutet, einen Satz zu gewinnen mit keinem einzigen Punktverlust. Allerdings gewann er diesen nicht, sondern verlor ihn gegen Julian Reister in Runde 1 der Quali bei den US Open 2013. Und nun taucht er einmal im Jahr auf (2017 gewann er mit Struff das vorentscheidende Doppel im Abstiegsspiel gegen Portugal), gewinnt ein megawichtiges Doppel und verschwindet am nächsten Tag wieder in der Challenger Abteilung der ITF.

Insgesamt ein großer Auftritt in Down Under mit tollen deutschen (Oberperlenbach war mit seinem großen Spruchband wieder dabei) und australischen Tennisfans.

Das Doppel Tim (Pütz) und Struffi (Jan Lennard Struff) holte den vorentscheidenden zweiten Punkt. Wie in der vergangenen Saison gegen Portugal.
Das Doppel Tim (Pütz) und Struffi (Jan Lennard Struff) holte den vorentscheidenden zweiten Punkt. Wie in der vergangenen Saison gegen Portugal.
Apropos Tennisfans, die Aussie Fanatics: Australische Zuschauer stehen in der Gunst beinahe aller Spieler bei den Grand Slams ganz vorne an. Die Engländer fallen durch ihre britische Reserviertheit in Wimbledon gar nicht groß Unfairness mäßig auf. Bei den French und US Open heißt es auf den Tribünen allerdings jeweils Frankreich oder Amerika first, nur bei den Australian Open bzw. bei Davis Cup Spielen der Aussies herrscht eine Atmosphäre, die man weltweit kein zweites Mal erlebt.

Die letzte Davis Cup Begegnung zwischen Deutschland und Australien (3:2) fand 2012 in Hamburg statt.

Eingerahmt von den Ballkindern nach dem dritten Punkt, das sagt alles über die australische Tennis-Mentalität. V.l. Alexander Zverev, Peter Gojowzik, Tim Pütz und Jan Lennard Struff.
Eingerahmt von den Ballkindern nach dem dritten Punkt, das sagt alles über die australische Tennis-Mentalität. V.l. Alexander Zverev, Peter Gojowzik, Tim Pütz und Jan Lennard Struff.
TENNIS in Hamburg Redakteur, Thies Röpcke, hatte damals die Gelegenheit, mit einem der angereisten australischen Aussie Fanatics zu sprechen. Ein Einblick von ihm, wie diese so ticken. Viel hat sich seitdem nicht verändert.

Ort: Center Court am Rothenbaum: Am Freitag und Samstag bei typischem Rothenbaumwetter (leichter Nieselregen und Höchstwerte um 12 Grad) feuerten sie in kurzen Hosen, T-Shirts und Badelatschen ihr Team an und sorgten für Stimmung auf den Rängen. Als am Sonntag endlich die Sonne herauskam und für freundlichere Temperaturen sorgte, erschienen die Fanatics neu eingekleidet mit bayrischen Lederhosen und Gamshüten. Das hatte was von: So stelle ich mir den typischen Deutschen vor.

Nach dem entscheidenden Match zwischen Marcel Stebe und Lleyton Hewitt unterhielt ich mich mit dem „Pressesprecher“ der australischen Fanatic Fans. Ein leicht angeschlagener Trevor Simmons aus Sydney versuchte, Stellung zu nehmen.

G‘day Mate, was macht die Stimme?

Simmons: Meine ist im Gegensatz zu einigen meiner Guys noch nicht gänzlich dahin.

Wie groß ist eure Gruppe und begleitet ihr das Team zu jedem Auswärtsspiel?

Simmons: Hier in Hamburg sind wir nur ca. 35 Fans, auch wenn man nicht alle gleichzeitig zu sehen bekommt. Insgesamt geht unsere Fanabteilung aber in die Hunderte, über ganz Australien verteilt. Höhepunkt unserer Treffs sind natürlich die Australian Open in Melbourne, bei den Daviscup-Auswärtsspielen reduziert sich die Truppe zwangsbedingt durch nicht genehmigte Urlaube, Reisekostenhöhen und verlängerte Abende wie z.B. gestern.

Nachschub ist unterwegs, ein Aussie Fanatic auf dem Weg zu seinen „Mates“. (Foto: Jürgen Hasenkopf)
Nachschub ist unterwegs, ein Aussie Fanatic auf dem Weg zu seinen „Mates“. (Foto: Jürgen Hasenkopf)
Und morgen geht es zurück nach Sydney?

Are you kidding? Hahaha. Morgen geht es zum Höhepunkt des Trips.

Das bedeutet was?

God, Daviscup is ok, Hofbräuhaus is a lot of fun and Oktoberfest is the greatest.

Dann war Hamburg nur eine Zwischenlandung?

Sure, perfektes Timing. Das Training hier vor Munich war aber wichtig für uns.

Training, habt ihr selbst Schläger dabei?

(Simmons schaut als wenn er einen Geisteskranken vor sich hat) Are you crazy? Schläger? Ich spreche vom deutschen Bier. Die Vorbereitung auf das Oktoberfest kann nicht gründlich genug geplant sein. Wer erst dort mit dem Biertrinken startet, hält nicht lange durch*. Das sind Erfahrungswerte, die von Gruppe zu Gruppe weitervererbt werden. Auch das Tragen dieser Lederhosen muss vorher trainiert werden, um nicht zu früh als Nichtbayer aufzufallen.

Dann wünsche ich gute Erholung, and, do not exaggerate it at the Octoberfest.

Thanks mate, Germany is wunderbar. Wir hoffen jetzt aber alle, dass der Bierstand hier nicht zu früh schließt. Dieses Match von Hewitt bedarf einer Nachbesprechung. See you next year, hopefully in Down Under.

*Anmerkung: Das „Langedurchhalten“ hat jedenfalls ein Aussie Fanatic zur Perfektion gebracht. Da nach wie vor die unsinnige Regelung besteht, dass nur bei ungeraden Spielständen Zulass zu den Sitzplätzen gewährt wird, und es manchmal sehr lange dauert, bis dies passiert, konnte man Folgendes des Öfteren beobachten. Bis zum Absperrseil, das von grimmig blickenden Ordnern vorgehängt wird, hatte sich dieser Fanatic mit zwei Bierbechern in jeder Hand vorgearbeitet, ohne einen Tropfen zu verschütten. Seine Kumpels auf der anderen Seite des Seils warteten – ausgetrocknet – auf Nachschub. Ab und zu klappte dies, meist hatte der Bierholer aber alle vier Becher bereits geleert, bevor der Zugang gewährt wurde. Dann drehte er erneut ab, um vier weitere Becher zu holen. Die Kumpels konnten von Glück sagen, wenn ihr Nachschubauf Höhe der Ordner ankam und das Absperrseil gerade entfernt wurde.

TV Nichtübertragung 1: Das Statement der tollen Davis Cup Tage von Brisbane kam vom Head of Men’s Tennis, Boris Becker: „Ich spüre einen positiven Aufschwung, aber der braucht natürlich Futter. Dass wir ein Match wie Kyrgios gegen Zverev nicht auf den großen Sendestationen im Fernsehen schauen können, ist schade. Wir hoffen, dass wir dies bis zum Viertelfinale gegen Spanien ändern können.“ Das wäre natürlich schön, wenn dies klappen würde, sonst verpufft der positive Aufschwung, ohne jemals wahrgenommen worden zu sein.

TV Nichtübertragung 2: Dirk Hordorff, Vizepräsident DTB Leistungstennis und Ausbildung, versuchte die Nichtübertragung im öffentlich rechtlichen bzw. privaten Fernsehprogrammen folgendermaßen zu erklären: „An alle, die sich am Wochenende über die Davis Cup Übertragung geärgert haben: Die Übertragungsrechte und damit das Recht auf die Vergabe des Davis Cups liegen bei der ITF. Diese hat die Rechte an die Firma Perform und die dann die Rechte für Deutschland an DAZN vergeben. Dass der Davis Cup nicht im Fernsehen gezeigt wurde, liegt nicht am DTB, der keinen Einfluss auf diese Entscheidung hatte und auch in Zukunft nicht hat. Der DTB hat auch keine finanziellen Vorteile durch die erfolgte Vergabe der ITF. Nur die ITF erhält die Gelder für die Vergabe der Fernsehrechte. Das soll und muss sich in Zukunft ändern, damit die Fans den Davis Cup im frei empfänglichen Fernsehen wieder verfolgen können.“

Das kann man zwar versuchen, so der deutschen Tennis-Öffentlichkeit weiszumachen und den DTB als unschuldiges Opferlamm hinzustellen, erklärt aber nicht, warum in anderen Ländern immer alles „möglicher“ ist als beim DTB, so z.B. in Österreich.

Alex Antonitsch, früherer Daviscupspieler der Alpenrepublik, aktueller Turnierdirektor des ATP Turniers von Kitzbühel und Eurosport Kommentator, antwortete Dirk Hordorff folgendermaßen: „Sorry Dirk, aber in Österreich hat sich der ORF ganz einfach mit DAZN zusammengesetzt und sehr schnell, sehr einfach eine Lösung gefunden und den gesamten DAVIS CUP übertragen.“ Und nun DTB?

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