Rainer Grünberg
Die Triumphe der deutschen Tennisspieler am Hamburger Rothenbaum sind nach dem Zweiten Weltkrieg rar gesät. Genauer gesagt: Es sind drei. 1949 gewinnt der legendäre Gottfried von Cramm (1909–1976) hier seinen sechsten und letzten Titel mit 7:5, 6:1, 6:0 gegen den Kölner Ernst Buchholz. Es ist das bis heute vorletzte deutsche Endspiel. Das vorerst letzte folgt 15 Jahre später zwischen den Freunden Wilhelm Bungert und Christian Kuhnke. Es endet 0:6, 6:4, 7:5, 6:2. Kuhnke, der 1959 in Hamburg eine Banklehre absolviert und später in Rechtswissenschaften promoviert, ist Mitglied des Clubs an der Alster. Und 1993 siegt in Harvestehude mit Michael Stich zum bislang letzten Mal ein Spieler des Deutschen Tennisbundes.
Für die seltenen Erfolge gibt es eine einfache Erklärung: Das Hamburger Turnier, erstmals 1892 ausgetragen, entwickelt sich in den 50- und 60er-Jahren zu einem der bedeutendsten der Welt. Neben Wimbledon, Paris (French Open), Rom und Forest Hills (USA/von 1978 an Flushing Meadows) gehört der Rothenbaum zu den am besten besetzten Veranstaltungen, meist fehlen nur die wenig reisefreudigen US-Amerikaner. Damals werden noch keine Preisgelder gezahlt, die Profis spielen auf einer eigenen Tour. Die sogenannte Open Era beginnt 1968. „Wir waren weltweit eine Gruppe von 50 bis 60 Spielern, quasi eine Familie“, erzählt Bungert.
Weil das Interesse an dem kombinierten Damen- und Herrenturnier Jahr für Jahr steigt, baut die Hamburger Tennisgilde den Centre Court mehrmals aus, 1964 von 5000 auf 8000 Plätze. Bei ausverkauftem Haus beträgt die Einnahme rund 50.000 D-Mark. Der Veranstalter zahlt An- und Abreise, Unterkunft, Verpflegung. Für seinen Turniersieg 1964 erhält Bungert als „Aufwandsentschädigung“ 800 D-Mark.
Die Triumphe der deutschen Tennisspieler am Hamburger Rothenbaum sind nach dem Zweiten Weltkrieg rar gesät. Genauer gesagt: Es sind drei. 1949 gewinnt der legendäre Gottfried von Cramm (1909–1976) hier seinen sechsten und letzten Titel mit 7:5, 6:1, 6:0 gegen den Kölner Ernst Buchholz. Es ist das bis heute vorletzte deutsche Endspiel. Das vorerst letzte folgt 15 Jahre später zwischen den Freunden Wilhelm Bungert und Christian Kuhnke. Es endet 0:6, 6:4, 7:5, 6:2. Kuhnke, der 1959 in Hamburg eine Banklehre absolviert und später in Rechtswissenschaften promoviert, ist Mitglied des Clubs an der Alster. Und 1993 siegt in Harvestehude mit Michael Stich zum bislang letzten Mal ein Spieler des Deutschen Tennisbundes.
Für die seltenen Erfolge gibt es eine einfache Erklärung: Das Hamburger Turnier, erstmals 1892 ausgetragen, entwickelt sich in den 50- und 60er-Jahren zu einem der bedeutendsten der Welt. Neben Wimbledon, Paris (French Open), Rom und Forest Hills (USA/von 1978 an Flushing Meadows) gehört der Rothenbaum zu den am besten besetzten Veranstaltungen, meist fehlen nur die wenig reisefreudigen US-Amerikaner. Damals werden noch keine Preisgelder gezahlt, die Profis spielen auf einer eigenen Tour. Die sogenannte Open Era beginnt 1968. „Wir waren weltweit eine Gruppe von 50 bis 60 Spielern, quasi eine Familie“, erzählt Bungert.
Weil das Interesse an dem kombinierten Damen- und Herrenturnier Jahr für Jahr steigt, baut die Hamburger Tennisgilde den Centre Court mehrmals aus, 1964 von 5000 auf 8000 Plätze. Bei ausverkauftem Haus beträgt die Einnahme rund 50.000 D-Mark. Der Veranstalter zahlt An- und Abreise, Unterkunft, Verpflegung. Für seinen Turniersieg 1964 erhält Bungert als „Aufwandsentschädigung“ 800 D-Mark.
Bungert, der als Bauingenieur im väterlichen Betrieb in Düsseldorf arbeitet, ist der beste deutsche Tennisspieler dieser Zeit. 43-mal spielt er im Davis-Cup, 30-mal wird er nationaler Meister. 1967 verliert er das Wimbledonfinale gegen den Australier John Newcombe 3:6, 1:6, 1:6. Prämie für den unterlegenen Finalisten: umgerechnet 300 D-Mark.
Typisches Hamburger Tenniswetter herrscht am Schlusstag der Internationalen deutschen Meisterschaften 1964, am Dienstag, 11. August. Es hat stundenlang geregnet, der rote Sand ist aufgeweicht, der Platz tückisch glatt. „Es waren widrige Bedingungen“, erinnert sich Bungert. „Nie zuvor und nie danach habe ich wohl auf einem schlechteren Untergrund gespielt.“ Die weißen Tennisbälle färben sich rostbraun und fühlen sich tonnenschwer an.
Die Freude auf das Finale ist dennoch groß. Bungert hat im Halbfinale den spanischen Sandplatzkönig Manuel Santana in vier Sätzen ausgeschaltet, der ungesetzte Kuhnke die Nummer eins des Turniers, den australischen Vorjahressieger Martin Mulligan, in drei. Gespielt wird auf drei Gewinnsätze, ohne Tiebreak. Kuhnke kommt mit den Platzverhältnissen besser zurecht. Während Bungert oft ausrutscht, zweimal sogar stürzt und die gegen die Netzkante klatschenden nassen Bälle mit nur mühsam unterdrückten Flüchen quittiert, spielt sein Gegner mit anscheinend stoischer Ruhe und verblüffender Sicherheit. Mit 6:0 holt sich Kuhnke den ersten Satz.
„Der Platz trocknete aber allmählich ab, und wir konnten anfangen, Tennis zu spielen“, sagt Bungert. Er zieht seinen Pullover aus, „wild entschlossen, den Kampf aufzunehmen gegen die Tücken des Platzes und den unberechenbar aufspringenden Bällen“, schreibt das Abendblatt. Im zweiten Satz gewinnen beide ihre Aufschlagspiele bis zum 5:4 für Bungert, dann gelingt diesem ein Break zum Satzausgleich.
Im dritten Durchgang nimmt Kuhnke seinem Gegner beim 1:1 den Aufschlag ab, hat bei 5:4 und 40:15 zwei Satzbälle. Er vergibt beide, macht keinen weiteren Punkt. Bungert gleicht zum 5:5 aus, holt sich mit 7:5 auch den dritten Satz. Die Entscheidung. Kuhnke hadert mit den ungenutzten Chancen, Bungert wird sicherer, gewinnt seine Brillanz zurück, entscheidet den vierten Durchgang mit 6:2. „Mein Sieg war etwas glücklich, weil die äußeren Voraussetzungen vieles von Zufälligkeiten abhängig machten“, sagt er danach. Nach der Siegerehrung eilt er ins Clubhaus, ruft seine Mutter an, berichtet ihr vom größten Sieg seiner Karriere. Es sollte Bungerts einziger internationaler Titel bleiben.
Seit 1979 betreibt Bungert in Hilden bei Düsseldorf eine Tennis-Ranch, 1986 kommt Golf dazu, 2006 mehrere Beachsportarten. Noch heute ist der 79-Jährige fast täglich auf der Anlage. Tennis spielt er nicht mehr. „Die Beine wollen nicht mehr so, wie der Kopf will“, sagt er. Den gleichaltrigen Christian Kuhnke trifft er noch regelmäßig, „sechs- bis siebenmal im Jahr, meist in Düsseldorf“. Das Endspiel 1964 am Rothenbaum ist dann kein Thema mehr, „da ist alles erzählt, und dafür haben wir auch zu oft gegeneinander gespielt“, sagt Bungert.
Typisches Hamburger Tenniswetter herrscht am Schlusstag der Internationalen deutschen Meisterschaften 1964, am Dienstag, 11. August. Es hat stundenlang geregnet, der rote Sand ist aufgeweicht, der Platz tückisch glatt. „Es waren widrige Bedingungen“, erinnert sich Bungert. „Nie zuvor und nie danach habe ich wohl auf einem schlechteren Untergrund gespielt.“ Die weißen Tennisbälle färben sich rostbraun und fühlen sich tonnenschwer an.
Die Freude auf das Finale ist dennoch groß. Bungert hat im Halbfinale den spanischen Sandplatzkönig Manuel Santana in vier Sätzen ausgeschaltet, der ungesetzte Kuhnke die Nummer eins des Turniers, den australischen Vorjahressieger Martin Mulligan, in drei. Gespielt wird auf drei Gewinnsätze, ohne Tiebreak. Kuhnke kommt mit den Platzverhältnissen besser zurecht. Während Bungert oft ausrutscht, zweimal sogar stürzt und die gegen die Netzkante klatschenden nassen Bälle mit nur mühsam unterdrückten Flüchen quittiert, spielt sein Gegner mit anscheinend stoischer Ruhe und verblüffender Sicherheit. Mit 6:0 holt sich Kuhnke den ersten Satz.
„Der Platz trocknete aber allmählich ab, und wir konnten anfangen, Tennis zu spielen“, sagt Bungert. Er zieht seinen Pullover aus, „wild entschlossen, den Kampf aufzunehmen gegen die Tücken des Platzes und den unberechenbar aufspringenden Bällen“, schreibt das Abendblatt. Im zweiten Satz gewinnen beide ihre Aufschlagspiele bis zum 5:4 für Bungert, dann gelingt diesem ein Break zum Satzausgleich.
Im dritten Durchgang nimmt Kuhnke seinem Gegner beim 1:1 den Aufschlag ab, hat bei 5:4 und 40:15 zwei Satzbälle. Er vergibt beide, macht keinen weiteren Punkt. Bungert gleicht zum 5:5 aus, holt sich mit 7:5 auch den dritten Satz. Die Entscheidung. Kuhnke hadert mit den ungenutzten Chancen, Bungert wird sicherer, gewinnt seine Brillanz zurück, entscheidet den vierten Durchgang mit 6:2. „Mein Sieg war etwas glücklich, weil die äußeren Voraussetzungen vieles von Zufälligkeiten abhängig machten“, sagt er danach. Nach der Siegerehrung eilt er ins Clubhaus, ruft seine Mutter an, berichtet ihr vom größten Sieg seiner Karriere. Es sollte Bungerts einziger internationaler Titel bleiben.
Seit 1979 betreibt Bungert in Hilden bei Düsseldorf eine Tennis-Ranch, 1986 kommt Golf dazu, 2006 mehrere Beachsportarten. Noch heute ist der 79-Jährige fast täglich auf der Anlage. Tennis spielt er nicht mehr. „Die Beine wollen nicht mehr so, wie der Kopf will“, sagt er. Den gleichaltrigen Christian Kuhnke trifft er noch regelmäßig, „sechs- bis siebenmal im Jahr, meist in Düsseldorf“. Das Endspiel 1964 am Rothenbaum ist dann kein Thema mehr, „da ist alles erzählt, und dafür haben wir auch zu oft gegeneinander gespielt“, sagt Bungert.