Oliver Birkner
Er war früher ein Großmaul auf dem Platz und hat heute zu jedem Thema seine Meinung: John McEnroe. Wir sprachen mit ihm über seine Vergangenheit, Serve-and-Volley und charismatische Spieler.
Herr McEnroe, können Sie das Spiel mittlerweile unbeschwerter genießen als im Dress der Nummer eins?
Es war eine unbeschreibliche Genugtuung, der Beste der Welt zu sein, brachte jedoch auch allerlei Nebenwirkungen mit sich: Die Erwartungen waren immer stratosphärisch, jeder wollte dich schlagen, und man setzte sich zusätzlich selbst unter Druck, weil man nur über den Sieg grübelte. Das kann zu einer ungemütlichen Fixierung werden. Wimbledon gewinnen, die US Open gewinnen, Lendl, Connors, Borg, Sampras schlagen. So etwas laugt emotional aus. Nun gehe ich einfach raus und habe Spaß, weil ich Tennis liebe.
Sie sprechen über einige der damaligen emotionalen Duelle in zwei Autobiografien, „You cannot be serious“ und „But Seriously“. Haben Sie lächelnd mit jenem Satz gespielt, der Sie wohl jeden Tag verfolgt hat?
Ironischerweise hat er mich auf positive Weise verfolgt. Ich war rund 15 Jahre dabei, und der Ausbruch rutschte mir eigentlich bloß einmal heraus. Es war mein prominentestes Match, auch wenn es verloren ging. Leute aus aller Welt sprechen mich immer noch an und fragen: Können Sie mal „You cannot be serious“ sagen? Anstatt wütend zu sein, ergab es mehr Sinn, die Sache anzunehmen und als Kompliment aufzufassen.
Reichlich Komplimente erhalten Sie ebenso für Ihre Aufgabe im TV. Sind Sie womöglich ein besserer Kommentator als Spieler?
Mich nervte es anfangs, als die Leute sagten, ich wäre ein besserer Kommentator. Ich dachte: Hey, ich war die Nummer eins! Später freute mich die Anerkennung. Zu kommentieren ist natürlich auch weitaus einfacher. Ich stehe ja nicht auf dem Platz, sondern sitze auf der angenehmen Rückbank. Man lehnt sich zurück und analysiert, was die Spieler hätten besser machen sollen. Das ist leicht. Auf dem Court musst du im Bruchteil einer Sekunde Entscheidungen treffen. Vielleicht hast du auch nicht gerade den besten Tag erwischt, und die Zuschauer fangen an zu buhen. In solchen Momenten war es für mich damals unmöglich, cool zu bleiben. Da glaubte ich aber auch nicht an eine Zukunft im TV. Nun arbeite ich trotzdem dort und fühle mich deshalb stärker in den Sport involviert.
Müssen Sie sich bisweilen auf die Zunge beißen?
O ja. Doch das fällt mir am Mikro entschieden leichter als einst auf dem Court (schmunzelt).
Glauben Sie, dass mit Serve-and-Volley immer noch ein Grand Slam zu gewinnen ist?
Er war früher ein Großmaul auf dem Platz und hat heute zu jedem Thema seine Meinung: John McEnroe. Wir sprachen mit ihm über seine Vergangenheit, Serve-and-Volley und charismatische Spieler.
Herr McEnroe, können Sie das Spiel mittlerweile unbeschwerter genießen als im Dress der Nummer eins?
Es war eine unbeschreibliche Genugtuung, der Beste der Welt zu sein, brachte jedoch auch allerlei Nebenwirkungen mit sich: Die Erwartungen waren immer stratosphärisch, jeder wollte dich schlagen, und man setzte sich zusätzlich selbst unter Druck, weil man nur über den Sieg grübelte. Das kann zu einer ungemütlichen Fixierung werden. Wimbledon gewinnen, die US Open gewinnen, Lendl, Connors, Borg, Sampras schlagen. So etwas laugt emotional aus. Nun gehe ich einfach raus und habe Spaß, weil ich Tennis liebe.
Sie sprechen über einige der damaligen emotionalen Duelle in zwei Autobiografien, „You cannot be serious“ und „But Seriously“. Haben Sie lächelnd mit jenem Satz gespielt, der Sie wohl jeden Tag verfolgt hat?
Ironischerweise hat er mich auf positive Weise verfolgt. Ich war rund 15 Jahre dabei, und der Ausbruch rutschte mir eigentlich bloß einmal heraus. Es war mein prominentestes Match, auch wenn es verloren ging. Leute aus aller Welt sprechen mich immer noch an und fragen: Können Sie mal „You cannot be serious“ sagen? Anstatt wütend zu sein, ergab es mehr Sinn, die Sache anzunehmen und als Kompliment aufzufassen.
Reichlich Komplimente erhalten Sie ebenso für Ihre Aufgabe im TV. Sind Sie womöglich ein besserer Kommentator als Spieler?
Mich nervte es anfangs, als die Leute sagten, ich wäre ein besserer Kommentator. Ich dachte: Hey, ich war die Nummer eins! Später freute mich die Anerkennung. Zu kommentieren ist natürlich auch weitaus einfacher. Ich stehe ja nicht auf dem Platz, sondern sitze auf der angenehmen Rückbank. Man lehnt sich zurück und analysiert, was die Spieler hätten besser machen sollen. Das ist leicht. Auf dem Court musst du im Bruchteil einer Sekunde Entscheidungen treffen. Vielleicht hast du auch nicht gerade den besten Tag erwischt, und die Zuschauer fangen an zu buhen. In solchen Momenten war es für mich damals unmöglich, cool zu bleiben. Da glaubte ich aber auch nicht an eine Zukunft im TV. Nun arbeite ich trotzdem dort und fühle mich deshalb stärker in den Sport involviert.
Müssen Sie sich bisweilen auf die Zunge beißen?
O ja. Doch das fällt mir am Mikro entschieden leichter als einst auf dem Court (schmunzelt).
Glauben Sie, dass mit Serve-and-Volley immer noch ein Grand Slam zu gewinnen ist?
Absolut. In Australien staunte ich über den schnellsten Belag, den ich je erlebt habe. Unglaublich. Den hätte ich mir damals gewünscht. Das hat Roger ziemlich geholfen. Er spielte nicht ausschließlich Serve-and-Volley, aber es war mehr Angriffs-Tennis zu genießen. Einige Initiativen in den USA wie kleinere Plätze oder Bälle mit geringerem Druck dienen dazu, die jüngeren Spieler nach vorne zu bewegen und ihnen bessere Fähigkeiten am Netz beizubringen. So können sie später besser mit dem Tempo umgehen. Das ist eine kluge Politik, denn die interessantesten Matches beinhalten unterschiedliche Stile. Serve-and-Volley gegen einen Baseliner ist faszinierender als ein Duell zweier Baseliner, also Grundlinienspieler.
Beobachten Sie eine Renaissance der einhändigen Rückhand?
Ich verehrte sie natürlich und bin überrascht, dass so viele Spieler sie immer noch nutzen. Mit Schnelligkeit und gutem Timing hat sie also weiterhin Vorteile: mehr Komfort bei Netzangriffen und ein bisschen Extraplatz, wenn du dich nach dem Ball streckst.
Würden Sie zustimmen, dass Ihre Ära mehr charismatische Spieler besaß?
Auf alle Fälle. Ich denke, die Leute in den Machtpositionen fürchteten, die Kontrolle über die starken Persönlichkeiten auf dem Court zu verlieren, während die Spieler immer mehr Einfluss gewannen. Damit kamen sie nicht klar. Spieler wie Connors, ich oder selbst einige aus dem mittleren Ranking hatten mehr Kolorit. Dann wurden in puncto Regeln die Schrauben angezogen und die Profis fast zu Robotern. Das machte das Spiel an sich vielleicht besser, aber nicht interessanter. Fans suchen Emotionen, das Gefühl, dich zu kennen – ob sie dich nun mögen oder verachten. Wenn du nur Leute da draußen hast, für die sie nichts empfinden, wird die Sache schal. Das Tennis hat das erkannt und ermutigt Spieler, sich emotionaler zu geben. Hoffentlich geht es weiter in diese Richtung.
Der Schriftsteller Martin Amis sagte einmal, im Tennis ist Persönlichkeit oft gleichbedeutend mit Arschloch.
Das ist mir zu verallgemeinert, zu Charisma bedarf es mehr. Doch zu einem Teil lag er schon richtig, ein bisschen Provokation und über die Stränge schlagen gehört manchmal dazu (lacht).
Haben Sie sich eigentlich den Film „Borg vs. McEnroe“ angesehen?
Ich war zu keinem Zeitpunkt in das Projekt involviert. Es ist kein schrecklicher, aber leider auch kein wirklich guter Streifen. Viele Dinge entsprechen nicht den Tatsachen und sind frei erfunden. Warum? Die Realität bot ausreichend spannenden Stoff.
Was würden Sie in Ihrer Karriere ändern, wenn Sie Regisseur wären?
Ich würde definitiv die French Open gewinnen.
Zum Abschluss mal Hand aufs Herz: Wie oft war der Ball damals wirklich „on the line“?
Zu 95 Prozent (lacht).
Beobachten Sie eine Renaissance der einhändigen Rückhand?
Ich verehrte sie natürlich und bin überrascht, dass so viele Spieler sie immer noch nutzen. Mit Schnelligkeit und gutem Timing hat sie also weiterhin Vorteile: mehr Komfort bei Netzangriffen und ein bisschen Extraplatz, wenn du dich nach dem Ball streckst.
Würden Sie zustimmen, dass Ihre Ära mehr charismatische Spieler besaß?
Auf alle Fälle. Ich denke, die Leute in den Machtpositionen fürchteten, die Kontrolle über die starken Persönlichkeiten auf dem Court zu verlieren, während die Spieler immer mehr Einfluss gewannen. Damit kamen sie nicht klar. Spieler wie Connors, ich oder selbst einige aus dem mittleren Ranking hatten mehr Kolorit. Dann wurden in puncto Regeln die Schrauben angezogen und die Profis fast zu Robotern. Das machte das Spiel an sich vielleicht besser, aber nicht interessanter. Fans suchen Emotionen, das Gefühl, dich zu kennen – ob sie dich nun mögen oder verachten. Wenn du nur Leute da draußen hast, für die sie nichts empfinden, wird die Sache schal. Das Tennis hat das erkannt und ermutigt Spieler, sich emotionaler zu geben. Hoffentlich geht es weiter in diese Richtung.
Der Schriftsteller Martin Amis sagte einmal, im Tennis ist Persönlichkeit oft gleichbedeutend mit Arschloch.
Das ist mir zu verallgemeinert, zu Charisma bedarf es mehr. Doch zu einem Teil lag er schon richtig, ein bisschen Provokation und über die Stränge schlagen gehört manchmal dazu (lacht).
Haben Sie sich eigentlich den Film „Borg vs. McEnroe“ angesehen?
Ich war zu keinem Zeitpunkt in das Projekt involviert. Es ist kein schrecklicher, aber leider auch kein wirklich guter Streifen. Viele Dinge entsprechen nicht den Tatsachen und sind frei erfunden. Warum? Die Realität bot ausreichend spannenden Stoff.
Was würden Sie in Ihrer Karriere ändern, wenn Sie Regisseur wären?
Ich würde definitiv die French Open gewinnen.
Zum Abschluss mal Hand aufs Herz: Wie oft war der Ball damals wirklich „on the line“?
Zu 95 Prozent (lacht).