Wasserstoff – nicht länger Zukunftsmusik, so Arne Jacobsen von Vattenfall
Herr Jacobsen, was macht Wasserstoff so wertvoll?
Arne Jacobsen: Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg in die fossilfreie Zukunft. Perspektivisch haben wir die Möglichkeit, mit Wasserstoff auch andere Sektoren sauberer zu machen: So ermöglichen wir es, im Verkehrssektor, in der Stahlindustrie und in Raffinerien Prozesse umzustellen und große Mengen CO2 einzusparen. Zudem können wir die Nutzung von grünem Strom diversifizieren: Das führt zu einem steigenden Bedarf, der perspektivisch neue wirtschaftliche Einsatzmöglichkeiten eröffnet. Bevor Windturbinen bei zu hoher Produktion abgeschaltet werden, sollten wir den Strom nutzen, um grünen Wasserstoff zu produzieren.
Was bedeutet „grüner“ Wasserstoff?
Jacobsen; Wir unterscheiden drei Wasserstoff-Arten: Grüner Wasserstoff wird über Elektrolyse mit Wasser und Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Das Ergebnis ist CO2-freier Wasserstoff. Blauer Wasserstoff wird durch die Dampfreformierung von Erdgas erzeugt. Dabei entsteht CO2, das eingefangen und in Gasfeldern oder Grundwasserleitern gelagert oder in anderen chemischen Prozessen eingesetzt wird. Bei grauem Wasserstoff wird das CO2 aus der Dampfreformierung in die Luft abgegeben. Für Vattenfall steht der Einsatz von grünem Wasserstoff für die Elektrifizierung und Dekarbonisierung der Gesellschaft im Fokus.
Welche Wasserstoff-Historie hat Vattenfall in Deutschland?
Jacobsen: In Hamburg sind wir bereits seit über zehn Jahren an der Erprobung von Wasserstoff hauptsächlich für Busse der Hochbahn beteiligt und haben im Zuge dessen 2012 auch eine der weltweit größten Wasserstofftankstellen in Betrieb genommen. In der Anlage wurde grüner Wasserstoff dem Profil der Windlast folgend produziert.
Welche Zukunft hat Wasserstoff im Verkehrssektor?
Jacobsen: Aus unserer Sicht eine große! Wasserstoff als Treibstoff ist eine Ergänzung zur Batterie-Elektromobilität, insbesondere gilt dies für Großfahrzeuge wie Busse, Züge oder Lastkraftwagen. Wasserstoff hat hier aufgrund der schnellen Betankung und der größeren Energiedichte klare Vorteile.
Welche industriellen Anwendungen sind vielversprechend?
Jacobsen: Die Stahlindustrie ist zum Beispiel sehr CO2-intensiv, man kann aber Hochöfen elektrifizieren und Eisenerz nicht mit Koks, sondern mit Wasserstoff reduzieren. Wenn man das mit grünem Strom und grünem Wasserstoff macht, ist das komplett emissionsfrei. Natürlich sind sowohl die Modernisierung eines Stahlwerks als auch die Produktion des Stahls teuer und wir benötigen eine starke politische Unterstützung, um solche Projekte ökonomisch sinnvoll zu betreiben – schließlich befinden wir uns mit Stahl auf einem Weltmarkt.
Was könnte sich in Raffinerien ändern?
Jacobsen: Nächstes Jahr müssen die EU-Mitgliedstaaten die zweite Erneuerbare-Energien-Richtlinie implementieren. Raffinerien nutzen Wasserstoff, um Öl aufzuspalten und zu entschwefeln – wenn sie künftig grauen durch grünen Wasserstoff ersetzen, werden sie das mit der neuen Richtlinie hoffentlich auf ihre Emissionsquoten anrechnen können.
Wie sehr bestimmt die Politik Ihre tägliche Arbeit?
Jacobsen: Sehr stark! Letztlich entscheidet Politik, ob Wasserstoff einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten kann oder nicht. Wir müssen dabei zwei Seiten im Blick haben: die Produktion und die Kunden. Auf der Produktionsseite ist für uns klar, dass Wasserstoff aus Ökostrom hergestellt werden muss, um wirklich ‚grün‘ zu sein. Dafür brauchen wir praktikable Regelungen für das EEG und die Netzentgelte – schließlich können wir Elektrolyseure nicht immer direkt ans Windrad klemmen. Auf Kundenseite muss die Verwendung von Wasserstoff wirtschaftlich attraktiver werden, etwa indem weniger klimafreundliche Prozesse durch Instrumente wie den CO2-Preis teurer werden.