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Themenwelten Hamburg
Abschied

Die Wiederentdeckung der Grabkultur

Frank Kuhlmann, Obermeister der Bestatter-Innung Hamburg. Foto: Tina Taege
Frank Kuhlmann, Obermeister der Bestatter-Innung Hamburg. Foto: Tina Taege
Immer schon folgten Gräber dem Zeitgeist und zeugten von gesellschaftlichem Status und religiösen Bräuchen. Die Vielschichtigkeit unserer Gesellschaft, deren Verweltlichung und Werteverschiebung hat natürlich auch Folgen für unseren Umgang mit Tod, Trauer und Gräber.

Der schon lange anhaltende Trend zu anonymen Urnenbeisetzungen, Gemeinschaftsgräbern und Seebestattungen ist eindeutiger Ausdruck dieser Entwicklung und auch keineswegs verwerflich. Auch das Argument, dass Gräber langfristige Lasten hinterlassen und dass man an Verstorbene auch ohne Grab denken kann, ist nachvollziehbar.

Früher erzählten Friedhöfe und Gräber Lebensgeschichten durch inhaltgebende Grabmale und schöne Anlagen. Heute erinnern so manche anonymen Urnenfelder, Rasen- und Gemeinschaftsgräber eher an Gefallenengräber. Friedhöfe leiden unter dieser Entwicklung. „Seit Jahren versuchen Friedhofsverwaltungen mit neuen Grabideen, wie pflegefreien Themen- und Baumgräbern oder Waldbestattungen neue Impulse zu setzten, um die Individualität unserer Friedhofslandschaften neu zu erfinden. Und diese Impulse fruchten langsam“, äußert sich Frank Kuhlmann, Obermeister der Bestatter-Innung Hamburg. Immer mehr Menschen versuchen, durch eine in ihrem Sinn gestaltete Grabstätte, ob in wilder Natur des Waldes, naturnahen Friedhofsanlagen, Themenfeldern, Kolumbarien und religiös geprägten Crypten den Tod, den Toten wieder in Beziehung zu stellen mit den Trauernden, mit den Lebenden. „Wir müssen ein Grab nicht unbedingt zur Trauerbewältigung aufsuchen“, so Kuhlmann.

„Hierfür gibt es Orte viel größerer Emotionalität und Nähe im privaten Umfeld. Aber verlassen werden unsere Toten uns nie und es ist in unseren Grundanlagen verankert, wissen zu wollen, wo die sterblichen Überreste in Ehren gehalten werden. Dort kann eine ganz stille, aber zutiefst menschliche Kommunikation stattfinden, ohne das laute Tosen dieser Welt.“

Und es ist heute keine Frage der finanziellen Möglichkeiten mehr. „Ob teuer oder günstig, individuell geht immer“, stellt Kuhlmann fest. „Man hat heute die Freiheit, in einer noch nie dagewesenen Vielfalt seine ganz eigene Welt der Totenruhe und des Gedenkens zu wählen. Das ist der Wandel und eine bedeutungsvolle Errungenschaft einer liberalen Gesellschaft.“
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