Anzeige
Themenwelten Hamburg
Tennis in Hamburg

Australian Open

Transition oder Momentum, das war die Frage.

Australian Open 2019. Foto: Jürgen Hasenkopf
Australian Open 2019. Foto: Jürgen Hasenkopf
Japaner, Serbe oder wenigstens Spanier bzw. Tcheche oder Grieche sollte man sein, wenn man sich einen Rückblick der Australian Open wirklich gönnen möchte. Vielleicht auch noch Japanerin, Serbin, Spanierin bzw. Tchechin oder Griechin, soviel Zeit muss dann doch sein.

Deutscher oder Deutsche jedenfalls nicht. Nur, da müssen sie jetzt durch.

Was die deutschen Teilnehmer/innen, außer Angelique Kerber und Alexander Zverev, betrifft, hält sich die Enttäuschung über das alljährliche Abschneiden in Down Under mittlerweile in Grenzen. Wenn man nicht viel erwartet, wird man auch nicht allzu sehr enttäuscht. Wobei man ja immer wieder aufs Neue auf eine Überraschung hofft. Die muss nun auf 2020 verschoben werden. Nach zwei Runden war niemand, ob Männlein oder Weiblein, mehr im Geschehen, außer unseren beiden Spitzenspielern.

Von „Angie“ und „Sasha“ erwartet man mittlerweile keine Enttäuschungen mehr, als Minimum aber den Einzug ins Finale und dort einen glatten Sieg gegen wen auch immer. Beide starteten die ersten drei Runden dann auch souverän, eben wie vorhergesehen.

Julia Görges kam mit dem Erfolg von Auckland voller Selbstvertrauen nach Melbourne. Dann schlugen wieder die Klimaanlagen zu, aus in Runde 1 gegen Danielle Collins mit der Erkältung vom letzten Jahr. Foto: Jürgen Hasenkopf
Julia Görges kam mit dem Erfolg von Auckland voller Selbstvertrauen nach Melbourne. Dann schlugen wieder die Klimaanlagen zu, aus in Runde 1 gegen Danielle Collins mit der Erkältung vom letzten Jahr. Foto: Jürgen Hasenkopf
Es reichte diesmal „nur“ bis ins Achtelfinale. Alexander Zverev ergab sich gegen Milos Raonic beinahe wehrlos in sein Schicksal. Foto: Jürgen Hasenkopf
Es reichte diesmal „nur“ bis ins Achtelfinale. Alexander Zverev ergab sich gegen Milos Raonic beinahe wehrlos in sein Schicksal. Foto: Jürgen Hasenkopf

Ihre neuen Coaches, Rainer Schüttler und Ivan Lendl, sonnten sich in der Spieler Box und genossen die von ihnen in der Winterpause vorgenommenen Änderungen im Technik- und Taktikbereich ihrer Schützlinge. Beide haben in ihrem Tennisleben viel erlebt und sie kann nichts mehr erschüttern. Außer die allgemeine Unruhe der Mitanwesenden in ihrer Spielerbox, die nach jedem gewonnenen Punkt begeistert beinahe unisono aus dieser fielen. Manchmal hatte man den Eindruck, Eltern, Omas, Freunde, Freundinnen, Physios etc. sahen gerade zum ersten Mal einen gelungenen Punkt ihres „Spielers“.

Dabei bemerkte keiner dieser Experten, dass sie Schüttler und Lendl gewaltig auf den Tennisgeist gingen und nur in ihrer verdienten Ruhe störten. Es ist anzunehmen, dass die beiden ihre anwesenden Boxenmitglieder gerne weit weg auf die andere Seite des Courts verbannt hätten. Jedenfalls war allen Experten um sie herum klar, einen deutschen Doppelsieg kann niemand verhindern.

Die Mimik sagt seit 1988 nichts aus. Ivan Lendl (mittl. Reihe, links) hatte sich die Australian Open seines Schützlings, Alexander Zverev, bestimmt anders vorgestellt. Foto: Jürgen Hasenkopf
Die Mimik sagt seit 1988 nichts aus. Ivan Lendl (mittl. Reihe, links) hatte sich die Australian Open seines Schützlings, Alexander Zverev, bestimmt anders vorgestellt. Foto: Jürgen Hasenkopf


Ratlos, verzweifelt, ohne Aufschlag. Aus im Achtelfinale für Angelique Kerber. Foto: Jürgen Hasenkopf
Ratlos, verzweifelt, ohne Aufschlag. Aus im Achtelfinale für Angelique Kerber. Foto: Jürgen Hasenkopf
Im Achtelfinale aber waren Technik und Taktik, genauer gesagt zweiter Aufschlag bei Angie und Volley bei Sasha, im Hotelzimmer geblieben, und es gab zwei herbe Klatschen, da ist das Wort Enttäuschung noch als Lob zu betrachten.

Sabine Ellerbrock, Deutschlands erfolgreichste Rollstuhltennisspielerin, verpasste den Doppeltitel knapp. Foto: Jürgen Hasenkopf
Sabine Ellerbrock, Deutschlands erfolgreichste Rollstuhltennisspielerin, verpasste den Doppeltitel knapp. 
Foto: Jürgen Hasenkopf
Naomi Osakas zweiter Grand Slam Erfolg in Serie. Foto: Jürgen Hasenkopf
Naomi Osakas zweiter Grand Slam Erfolg in Serie. Foto: Jürgen Hasenkopf


Angie ging in knapp einer Stunde 0:6, 2:6 gegen die langjährige amerikanische Collegespielerin Danielle Collins unter und Sasha stand beim 1:6, 1.6, 6:7 gegen Milos Raonic trotz drei Sätzen nicht sehr viel länger auf dem Platz. Zur Ehrenrettung von Angie muss man sagen, Collins traf alles (oder Angie ließ alles zu) und bestätigte ihren Erfolg mit zwei weiteren Siegen, erst im Halbfinale war für sie Endstation. Was mit Sasha los war, ist bis heute nicht geklärt. In der Pressekonferenz jedenfalls gab er bekannt, dass er bereits auf dem Weg ins Bett wäre, lange schlafen werde und sich danach auf den Davis Cup in Frankfurt freue. Pluspunkt für ihn.

Dass Angie sich evtl. nach ihrer frühen Absage auf den Fed Cup freue, gab sie nicht von sich. Zeit zur Erholung wäre nach der frühen Niederlage ja gewesen. Was im Übrigen auch auf Julia Görges zutrifft, die ebenso wegen der drohenden Überbelastung früh für den Fed Cup absagte, dafür dann rechtzeitig in Runde 1, ebenfalls gegen Danielle Collins, die Segel strich.

Warum passt ein zweitägiges Fed Cup Match eigentlich nicht ins Jahresprogramm einer deutschen Spitzen-Tennisspielerin? Besseres Matchtraining kann ein Coach kaum herbeizaubern.

Wer soll ihn schlagen, wenn selbst Rafael Nadal gegen ihn den Bällen nur hinterherschauen kann? Seinen Grand Slam Nr. 3 in Folge feierte Novak Djokovic mit den Ballboys and Girls.Foto: Jürgen Hasenkopf
Wer soll ihn schlagen, wenn selbst Rafael Nadal gegen ihn den Bällen nur hinterherschauen kann? Seinen Grand Slam Nr. 3 in Folge feierte Novak Djokovic mit den Ballboys and Girls.Foto: Jürgen Hasenkopf
Boris Becker und Mathias Stach. Momentum oder Transition, das war die Frage. Foto: Jürgen Hasenkopf
Boris Becker und Mathias Stach. Momentum oder Transition, das war die Frage. Foto: Jürgen Hasenkopf
Trotzdem gab es am Ende noch einen Erfolg und beinahe sogar einen großen. Im Finale des Damen Doppels im Rollstuhltennis verlor Deutschlands erfolgreichste internationale Rollstuhltennisspielerin, Sabine Ellerbrock, ganz knapp im Matchtiebreak (2:6, 6:1, 7:10) mit ihrer niederländischen Partnerin Marjolein Buis gegen die Topgesetzten Diede de Groot und Aniek Van Koot, ebenfalls aus den Niederlanden.

Damit sind die diesjährigen Australian Open schnell erklärt, jedenfalls das, was sich auf dem Platz aus deutscher Sicht abspielte. Zum Glück ist die Saison noch lang.

Aus japanischer und serbischer Anschauung waren es natürlich perfekte zwei Wochen. Naomi Osaka und Novak Djokovic begeisterten ihre Fangruppen mit ihren Siegen und auch tchechische und spanische Tennisfans konnten sich über Petra Kvitova und Rafael Nadal, bis zum Finale wenigstens, erfreuen. Ebenso hatten die griechischen Fans ihren Hero. Wer es noch nicht wusste, wurde spätestens nach dem Erreichen des Halbfinales von Stefano Tsitsipas von Mathias Stach aufgeklärt, dass Melbourne die drittgrößte griechische Stadt wäre.

Neben dem Platz wurde es nach den Niederlagen der beiden deutschen Stars für Mathias Stach und Boris Becker in ihrer klimatisierten Sprecherkabine natürlich nicht leichter, an den gezeigten Leistungen etwas halbwegs Positives zu entdecken.

Konnten sie sich bei den letzten French Open und US Open in der zweiten Woche wenigstens auf Dominik Thiem verlassen, stieg der Österreicher diesmal noch früher als Angie und Sasha in Runde 2 aus dem Rennen. Und im Doppel oder etwa bei den Junioren/innen kam auch nichts Gescheites raus. Wobei es bei den Junioren/innen natürlich schwer war, Positives zu berichten, da es aufgrund keiner Meldung auch keine Meldung gab. Was ist mit dem deutschen Nachwuchs? Ist Australien zu heiß, der Flug zu lang, der Aufenthalt zu teuer oder gibt es keinen Nachwuchs?

Wer Stach und Becker aber aufmerksam zuhörte, bekam jedenfalls doch noch Interessantes mit auf den weiteren Tennisweg. Ein neues Schlagwort wurde kreiert. Wenn in den vergangenen Jahren in jedem dritten Satz (nicht auf dem Platz) die Bedeutung auf Antizipation und Inside in oder out lag bzw. in den beiden letzten Jahren das Momentum mit herhalten musste, war diesmal Transition dran.

Transition rettete die verbleibenden Tage.

Was aber sollte Transition nun dem Tennisfan mitteilen? Transition bedeutet, wenn man meint, es richtig verstanden zu haben, wohl den perfekten Übergang vom perfekten Inside in oder out Angriffsschlag zum Netz in sich zu spüren und durch diese Antizipation keinen besonders guten Volley mehr spielen zu müssen, da der Angriffsschlag ja beinahe schon ganz „tot“ war. So wie eben Sasha die Volleys kurz nach Transition in den ersten drei Runden souverän wegmachte, dann aber trotz 1:0 Führung in Satz 1 gegen Milos Raonic die weitere Transition dem Kanadier wehrlos überließ.

Transition wird uns in diesem Jahr begleiten, vielleicht nicht so häufig in Paris aber bestimmt in Wimbledon und bei den US Open. Mal schauen, was im nächsten Jahr kommt.

Weitere Artikel