Berliner Testament – die richtige Gestaltungsform? Fachanwältin für Erbrecht Nicole Groß aus Hamburg-Niendorf informiert.
NIENDORDF Diese Frage ist berechtigt, denn wenn Ehepartner ein Testament errichten, entscheiden sie sich – mangels juristischer Fachkenntnisse – häufig für das sogenannte Berliner Testament.
Hierbei setzen sich Eheleute zunächst gegenseitig zu alleinigen Erben ein, Schlusserben nach dem Tod des Längstlebenden sind zumeist die Kinder. Dabei bringt gerade dieser „Klassiker der Testamentsgestaltung“ oft eine Vielzahl von Nachteilen mit sich. Selbst bei einer Familie mit nur ehegemeinschaftlichen Kindern führt die Testamentsform teilweise zu erheblichen erbschaftssteuerlichen Problemen durch die – zu Recht – gewünschte alleinige Erbenstellung des Ehepartners. Hier gibt es steuerlich bessere Gestaltungsmöglichkeiten, ohne dass die Eheleute schon zu Lebzeiten an die Kinder Vermögenswerte verschenken, welche sie im Alter doch noch selbst gebrauchen könnten. Das Berliner Testament führt zudem auch zu Pflichtteilsansprüchen der Kinder.
Besonders gravierend wirkt sich dies bei Familien mit Kindern aus einer anderen Beziehung aus. Gerade hier kann diese Testamentsgestaltung zu hohen Pflichtteilsansprüchen von Stiefkindern führen. Zudem möchte man vermeiden, dass das Stiefkind überhaupt an dem Vermögen des Stiefelternteils partizipiert. Für Fälle mit Patchworkbezug ist das Berliner Testament deshalb oft ungeeignet. Aber auch dann, wenn Kinder staatliche Leistungen erhalten, z. B. bei Beteiligung von behinderten Kindern, kommt diese Testamentsform eigentlich nicht infrage, weil durch die Alleinerbenstellung des Ehepartners im ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche des Kindes entstehen, die sich auf staatlich gewährte Leistungen auswirken können.
Es gibt viele Möglichkeiten, durch eine individuelle Testamentsgestaltung die gewünschten Ziele der Testierenden zu erreichen. Noch ein wichtiger Punkt: grundsätzlich sind alle gemeinschaftlich verfassten Testamente bindend. Dies bedeutet auch, dass der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden das Testament nicht mehr ändern kann. Dies mag sinnvoll sein, um z. B. auszuschließen, dass der Überlebende später andere Personen als die Kinder testamentarisch bedenkt. Was ist aber, wenn die Kinder sich nicht so entwickeln, wie man es bei Testamentserrichtung erwartet? Auch hier gibt es auf den jeweiligen Einzelfall eingehende Abänderungsvorbehalte, die man im Testament regeln kann. Nicole Gross
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