Mit Strom in eine neue Zeit
Jürgen Klopp schwebte im Flugzeug ein und Dieter Bohlen schrieb Autogramme. Mit viel Show und frei von Sorgen lief einst die IAA. Nun heißt die traditionelle Automesse, von Frankfurt nach München umgesiedelt, „IAA Mobility“. Und statt Sprit fließt jetzt mehr und mehr Strom.
Es sind wechselhafte Zeiten der mobilen Wende. Das Auto hat gerade nicht überall den besten Stand. Über Benzin und Diesel hängen dunkle Wolken. Zu dreckig, zu durstig, zu schnell, zu laut – so die Vorwürfe. Nahezu die Hälfte der Autoproduzenten ist erst gar nicht an der Isar vorgefahren. Kein Opel, kein Peugeot, auch kein Fiat oder Toyota. Stattdessen zeigen 70 Hersteller von Fahrrädern, wie man mit eigener Kraft sein Ziel erreicht.
Die Autowelt ändert ihr Gesicht. Die Stars von morgen heißen Mia, Urbanaut, Pio, Ami, Ora R2 oder Opel Rocks-e. Sie sind keine drei Meter lang, haben Strom in den Adern und kündigen den Beginn einer rollenden Neuzeit im City-Gewühl an. Neben Opel und Mini planen auch Volkswagen („ID.1“), Audi, Skoda und Cupra („Urban Rebel“) Kleinwagen im neuen Format. Viele Winzlinge der künftigen Auto-Generation sind dabei längst reif und starten im Verkauf wie der „Microlino“.
Schnelle Richtungsänderung
„Wir zeigen auf der IAA die Welt der Mobilität von morgen“, sagt Jürgen Mindel, Chef des Autoverbandes VDA. Da haben Benzin und Diesel ihren Platz offenbar verloren. Die „Versöhnung von Klimaschutz und Automobilität, von Ökonomie und Ökologie“ sei eine „lohnende Herausforderung“, meint Landesvater Markus Söder. Und so erweitert die ergrünte IAA, trotz aller Proteste als „Volksfest der Mobilität“ verstanden, das Geschehen eingezäunt auf Plätze und Straßen der Innenstadt und zieht so auch Demonstranten an.
VW-Chef Herbert Diess setzt auf die schnelle Richtungsänderung. Elektrisch betriebenen Wagen solle die Zukunft gehören. Spätestens im Jahr 2025 würden Stromer durch niedrige Verbrauchskosten, geringere Wartung und „vielleicht auch niedrigere Versicherungsprämien“ günstiger sein als Autos von heute. Die mangelnde Reichweite von Stromwagen möchte nicht nur Mercedes-Chef Ola Källenius ausmerzen. Sein utopisches Gefährt „EQXX“ hat angeblich 1000 Kilometer Strecke im Tank. Auch die lange Warterei beim Vollaufladen der Akkus soll enden. Ein estnisches Team forscht mit einem Karlsruher Institut an einer Wunder-Batterie. Sie soll ein Auto in 15 Sekunden aufladen. Könnte diese Zeit auch nur annähernd erreicht werden, wären Strom-Autos auf einen Schlag massenattraktiv. Und so verkündet Audi-Sprecher Udo Rügheimer: „2025 rollt bei uns das letzte Verbrenner-Auto vom Band.“
Kräftigster Absatzhelfer von Elektromobilen bleibt bis 2025 der Staat, der jeden Kauf großzügig anschiebt. Durch zusätzliche Rabatte der Händler reduziert sich der Erwerb von Strom-Tankern um bis zu 10 000 Euro. Solch üppige Geldgeschenke wirken: Bereits jetzt ist mehr als jeder zehnte Neuwagen ein reiner Elektriker, Autos mit Hybrid-Technik laufen noch besser. Sie haben den Diesel schon überholt. Mehr als 150 Milliarden Euro will die deutsche Autoindustrie bis 2025 in die Entwicklung neuer EAutos stecken. Noch aber lehnt eine Vielzahl der Deutschen den Kauf eines Stromautos wegen diverser Nachteile ab.
Was rollt denn elektrisch neu an? BMW zeigt beim Heimspiel auf der IAA die Elektriker i4 und iX. Mercedes hebt den Schleier vom EQE, er soll Rivale für den Tesla 3 sein. Cupra startet mit dem Born seinen ersten Stromer, gebaut in Zwickau. Bei VW hängt das SUV-Coupé ID.5 GTX am Stecker. Dacia hat mit dem Spring (für 10 000 Euro) einen vollelektrifizierten Knirps, Kia den eleganten EV 6, Hyundai den Ioniq 5. Auch ein halbes Dutzend Chinesen reist mit preiswerten Stromern an.
Es gibt aber Stimmen, die Batterie-Autos nicht als beste Lösung für die Zukunft sehen. So plädiert Sachsens Ministerpräsident Rainer Haseloff „statt erzwungener Elektro-Mobilität“ für Autos, die „klimaneutrale Energie nutzen – seien es synthetische Kraftstoffe, grünes Methan oder Wasserstoff“. Obwohl die Industrie längst im Öko-Modus rollt, wird gewaltig gegen das Auto gepoltert. Umwelt-Aktivisten fordern den Ausbau von Fuß- und Radwegen, die Verdoppelung von Bahn- und Busfahrten, das schnelle Verbot von Diesel und Benzinern, Tempo 120 auf der Autobahn und 30 km/h in der Stadt. Von so einem Umfeld vergrault, sparten sich viele Hersteller den Weg nach München: wie Alfa Romeo, Citroen, Fiat, Honda, Jaguar, Nissan, Landrover, Lexus, Mazda, Mitsubishi, Opel, Peugeot, Skoda, Subaru, Toyota und Volvo. Und so fehlen Premieren wie Astra, Fabia, Qashqai oder der Peugeot 308 auf der IAA.
VW startet mit dem Taigo ein Benzinauto. Ein SUV, der aus Südamerika einwandert. Ganz ohne ein Fünkchen Strom. Wolfgang Ibel
IAA MOBILITY AKTUELL
Die IAA Mobility in München ist die weltgrößte Mobilitätsmesse. Zu sehen sind in den Hallen und überall in der City 100 Weltpremieren. Autonomes Fahren wird erlebbar für die Besucher mit 250 Testfahrzeugen. Dazu findet in diesem Rahmen das größte Bike-Event Europas mit 70 Marken in zwei Hallen und in der City statt.
Wo läuft die IAA?
Bis Sonntag in der Messe Riem. Gut zu erreichen mit der U 2. Mit dem Auto über die A 94. Open Space in der City bitte nicht mit dem Auto anfahren: Es gibt kaum Parkplätze. Eine Verbindung zwischen Messe und Innenstadt ist die zwölf Kilometer lange „Blue Lane“. Hier können Besucher Shuttlebusse nutzen oder mit dem eigenen oder von einem Aussteller geliehenen emissionsfreien Auto (mindestens drei Insassen) die Route befahren.
Geöffnet:
9 bis 18 Uhr in der Messe, von 10 bis 20 Uhr (Open Space) überall in der City.
Eintritt:
20 Euro Tagesticket, 29 Euro Wochenende, 59 Euro Familienticket Wochenende, 199 Euro Virtual-Ticket.
Weitere Infos:
www.iaa.de