alsterdorf assistenz ost: Digitale Kommunikation in Zeiten von Corona
Am großen Tisch im Gemeinschaftsraum des Wohnhauses Moorhof der alsterdorf assistenz ost herrscht fröhliche Stimmung. Auf dem Tisch steht ein Tablet-PC, über den Malte Braas und seine Mitbewohner mit Unterstützung von Assistenzteamleiterin Kirsten Steinigeweg regelmäßig per Videochat mit Freunden und Angehörigen sprechen können. Gerade tauschen sie sich online mit zwei ehemaligen Mitarbeitern des Wohnhauses aus. Es wird viel gelacht und man merkt, wie gut allen das – wenn auch nur digitale – Wiedersehen tut. Denn als das Corona-Virus Mitte März das öffentliche Leben zum Stillstand gebracht hatte, waren Menschen mit Behinderung besonders betroffen. Die Tagesförderstätten und Werkstätten für behinderte Menschen, die mit ihren Beschäftigungsangeboten für die so wichtige Tagesstruktur sorgen, wurden geschlossen. Auch die Menschen mit geistiger Behinderung und/oder psychischer Erkrankung, die von der alsterdorf assistenz ost unterstützt werden, mussten bei sich zu Hause bleiben. Besuche von Freunden und Angehörigen im Wohnhaus waren aus Infektionsschutzgründen nicht erlaubt. „Diese Änderung des gewohnten Alltags fiel vielen Klienten sehr schwer“, sagt Kirsten Steinigeweg und sie ergänzt: „Sie haben erst gar nicht verstanden, was los ist. Warum dürfen wir nicht mehr rausgehen, müssen alle Masken tragen und dürfen Freunde und Familie nicht mehr treffen?“ Umso mehr freut sich die Betreuerin jetzt über den neuen, von Aktion Mensch gespendeten Tablet-PC, der zurzeit viel genutzt wird: zur Videotelefonie, zum Lernen, um sich über Corona zu informieren und auch zum Spielen. „Irgendwie haben wir uns ganz schön abgeschnitten von der Welt gefühlt und umso schöner ist es, mit dem iPad auch wieder Kontakte nach draußen haben zu können“, so Kirsten Steinigeweg erleichtert.
Videochat öffnet Türen zur Außenwelt
Das findet auch Malte Braas, der mit seinen Eltern schon mal überlegt, was die Mutter Leckeres kochen kann, wenn er seine Familie wieder besuchen darf. Der junge Mann strahlt übers ganze Gesicht. Auch wenn ein Videochat die körperliche Anwesenheit und die Umarmung eines geliebten Menschen nicht ersetzen kann, hilft es doch, in der Isolation ein Fenster zur Außenwelt zu öffnen und sich auf diesem Wege etwas näher zu sein.
Nicht nur im Moorhof mussten die Mitarbeiter kreativ werden, um ihre Klienten weiterhin bestmöglich unterstützen zu können. Im Wohnhaus „Hinterm Graben“ in Bergedorf etwa wurde das „Corona Service Team“ ins Leben gerufen: Mitarbeiter aus den coronabedingt geschlossenen Tagesförderstätten kamen ins Wohnhaus und boten Tagesstruktur und Unterstützung in Einzelbetreuung an, in Form von Spaziergängen, Bastelangeboten, aber auch Gesprächen darüber, was die Bewohner beschäftigt und was ihnen Angst macht. Auch hier spielte die digitale Unterstützung eine wichtige Rolle: So wurden mit Hilfe von Tablet-PCs Informationen über das Corona- Virus eingeholt. Die Geräte dienten aber auch der Abwechslung, etwa mit Online-Spielen und Bewegungsangeboten.
Digitale Assistenz – auch nach Corona
Die Corona-Pandemie mit ihren Kontaktbeschränkungen hat gezeigt, dass es notwendig ist, digitale Kommunikation auch für Menschen mit Behinderung möglich zu machen. So ist diese schwere Zeit auch eine Chance, die Technik auszubauen. „Jeder Mensch mit Behinderung hat ein Anrecht auf Teilhabe an Digitalisierung“, sagt Lena Grote, die sich bei der alsterdorf assistenz ost intensiv mit dem Thema beschäftigt hat. „Umso mehr, wenn sie hilft, die Lebensqualität und Selbstständigkeit zu verbessern.“ Aus diesem Grund startet die alsterdorf assistenz ost in Kürze in die Testphase zum Projekt DigiContact, einer videogestützten Assistenz. „Der Vorteil der Videoassistenz im Vergleich zur Telefonie ist, dass der Kontakt über Video realer wird, dass Gesicht, Mimik und Emotionen zu erkennen sind und somit eine menschliche Interaktion ermöglicht wird, die einem persönlichen Assistenztermin nahe kommt“, erklärt Lena Grote. DigiContact ist in den Niederlanden bereits etabliert und wird dort von Trägern der Behindertenhilfe genutzt und gut angenommen. In einer rund um die Uhr besetzten Zentrale nehmen speziell geschulte Assistenten die Videoanrufe der Assistenznehmer entgegen. Dabei sind sie über deren individuelle Anforderungen und Bedürfnisse informiert und können so spontan und zielgerichtet Unterstützung leisten. Für die Menschen mit Behinderung bringt der Service den Vorteil, dass sie schneller Unterstützung erhalten, als wenn erst ein Vor-Ort-Termin vereinbart werden muss. DigiContact kann auch eine Unterstützung beim Auszug aus einer Wohneinrichtung in eine eigene Wohnung mit stundenweiser persönlicher Assistenz sein. Die 24-stündige Erreichbarkeit der Assistenten erhöht das Sicherheitsgefühl und erleichtert möglicherweise den Schritt zu mehr Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit. „Das Projekt soll die persönliche Assistenz nicht ersetzen, sondern ergänzen“, betont Lena Grote. „Leider wird Menschen mit geistiger Behinderung die Nutzung von modernen Medien oft zu wenig zugetraut, obwohl es große Erfolge gibt, wenn die Klienten gut geschult werden und für die Zielgruppe entwickelte Apps genutzt werden.“ Da sich der Start des Projektes durch die Corona-Pandemie verschoben hat, freut sich Lena Grote nun umso mehr auf die Lieferung der mit der DigiContact-Software ausgestatteten Leihgeräte – und auf den Start in die erste Testphase, in der einige Klienten und Mitarbeiter das System ausprobieren dürfen. Maya Voß
Spendenaufruf
Klienten mit Tablet-Computern oder Laptops auszustatten und die Nutzung der Software Digi-Contact zu finanzieren. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie die digitale Weiterentwicklung in der Behindertenhilfe und fördern die Selbstständigkeit Einzelner.
Spendenkonto:
Ev. Stiftung Alsterdorf, Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE32 2512 0510 0004 4444 02, BIC: BFSWDE33HAN, Verwendungszweck: DigiContact