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02.11.2017 / Abschied

Weinen ist erlaubt – lachen auch!

Wie man Kinder in ihrer Trauer unterstützen kann

Erwachsene versinken in einem Meer aus Traurigkeit, Kinder springen von Trauerpfütze zu Pfütze. Foto: Fotolia/Tomsickova
Erwachsene versinken in einem Meer aus Traurigkeit, Kinder springen von Trauerpfütze zu Pfütze. 
Foto: Fotolia/Tomsickova

Es wird ausgelassen getobt, albern gegackert, vorsichtig geflüstert – und manchmal ist es auch ganz still. Wer im Hamburger Zentrum für Kinder und Jugendliche in Trauer an den Gruppenräumen vorbeigeht, kann „alle Laute des Lebens“ hören.

Barbara Heling ist Vorstandsmitglied des Zentrums. Immer wieder begegnet sie Angehörigen, die Kinder abholen. „Wir sind so froh, dass sie auch mal wieder laut sein darf“, gestand ein Mann, der auf seine Enkelin wartete. Zuhause traue das Mädchen sich nicht, die Stille, die dort mit dem Tod des Vaters eingezogen war, zu stören. In den Gruppen ist das anders: „Trauergruppe heißt nicht ‘traurige Gruppe’“, stellt Heling klar.

Ohnehin äußere sich Trauer bei Kindern anders als bei Erwachsenen. „Während Erwachsene in einem Meer aus Traurigkeit versinken, springen Kinder eher von Trauerpfütze zu Pfütze“, heißt es in einem der Videos auf den Internetseiten des Zentrums. Die Gefühlszustände können von einem auf den anderen Moment wechseln und „Kinder drücken ihre Trauer auch nicht unbedingt in Worten aus. Sie kann auch beim Malen oder Spielen, mit allen Sinnen und ganzheitlich, sichtbar werden“, erklärt Christiane Hasenclever-Langwieler, Koordinatorin des ambulanten Hospizdienstes der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. im Regionalverband in Hamburg.

Die Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. bietet bundesweit unter dem Titel „Lacrima“ (lat. „Träne“) Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen an, bei dem parallel auch die Eltern betreut werden. Auch in Hamburg soll es ab Sommer 2018 wieder eine eigene Gruppe geben. Eine Regel in den Lacrima-Gruppen: Weinen erlaubt.

Dinge beim Namen nennen

Wenn Kinder einen nahestehenden Menschen verlieren, etwa einen Elternteil oder ein Geschwister, ist auf einen Schlag alles anders: Nicht nur mit dem Verlust müssen sie umgehen, auch mit der Trauer der Erwachsenen. Oft nehmen Kinder sich zum Beispiel aus Rücksicht auf den verbliebenen Elternteil in der eigenen Trauer zurück. „Weinen erlaubt“ lautet daher zum Beispiel eine Regel in den Lacrima-Gruppen. „Viele Kinder wollen auch die entstandene Lücke in der Familie irgendwie ausfüllen“, weiß Heling, „und sind damit natürlich völlig überfordert“.

Überfordert oder zumindest unsicher fühlen sich häufig auch andere Bezugspersonen aus Familie, Kindergarten oder Schule. Dabei verstünden Kinder oft mehr, als man ihnen zutraue, so Heling. Sie berichtet von einem Mädchen, dass von einer Nachbarin bemitleidet wurde, da sie ja „nun keinen Vater mehr haben“. Die Reaktion der Sechsjährigen: „Natürlich habe ich einen Papa. Der ist halt tot.“ Es sei wichtig, „die Dinge beim Namen zu nennen“, rät auch Hasenclever-Langwieler, „natürlich immer altersbezogen.“ Auch Kindern im Grundschulalter könne man zum Beispiel durchaus sagen, warum jemand gestorben ist.

Rat zum Umgang mit trauernden Kindern und Jugendlichen bekommen auch Bezugspersonen im Hamburger Zentrum. Der Fokus des Vereins liegt jedoch auf den Kindern und Jugendlichen selbst. Das Zentrum bietet Gruppen für Kinder ab fünf Jahren. Die insgesamt bis zu acht Gruppen werden von jeweils zwei ausgebildeten Trauerbegleiterinnen betreut und treffen sich alle 14 Tage. Heling ist überzeugt: „Kinder haben in der Regel die Kraft, den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Mit unserem Angebot unterstützen wir sie dabei.“ Die Gruppen bieten einen geschützten Raum, in dem alles darf und nichts muss.

Verständnis von Gleichaltrigen

Einen besonders wichtigen Aspekt in der Trauerarbeit in Gruppen sieht Barbara Heling zudem darin, dass Kinder mit Gleichaltrigen zusammenkommen. „Während sie sich in Kindergarten oder Schule häufig isoliert fühlen, sind hier Kinder, die ohne viele Worte verstehen, was sie gerade erleben.“ Wie lange die Kinder im Zentrum in einer Gruppe bleiben, sei unterschiedlich. Einige bleiben ein paar Monate, andere eineinhalb Jahre; in den Lacrima-Gruppen ist eine 14-tägige Teilnahme verpflichtend, über mindestens ein Jahr wünschenswert. Ein Ende hat Trauer ohnehin nicht. Aber der Umgang mit der eigenen Trauer wird sicherer. „Einer für Alle. Alle für Einen. Und ich für mich“, heißt es zum Abschluss jedes Treffens in den Lacrima-Gruppen. Gerade der letzte Satz sei wichtig, so Hasenclever-Langwieler. „Er betont die eigene Stärke, die gefördert werden soll und die die Kinder bei uns weiterentwickeln sollen“. Auch, damit wieder alle „Laute des Lebens“ in den Alltag einziehen. ivo

Anlaufstellen

Hamburger Zentrum für Kinder und Jugendliche in Trauer e.V.
Sophienallee 24
20257 Hamburg
Tel. 040 229 444 80
E-Mail: info@kinder-in-trauer.org

www.kinder-in-trauer.de
Verwaiste Eltern und Geschwister Hamburg e. V.
Bogenstraße 26
20144 Hamburg
Tel. 040 450 009 14
E-Mail: info@verwaiste-eltern.de
www.verwaiste-eltern.de
Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. – Ambulanter Hospizdienst Hamburg
Helbingstraße 47
22047 Hamburg
Tel. 040 650 544 70
(Hamburger Lacrima-Gruppe geplant ab Sommer 2018)
www.johanniter.de (Johanniter-Unfall-Hilfe)
www.johanniter.de
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