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Wer Kirchenmusik studiert, lernt mehr als Orgel spielen. Die Arbeit in der Gemeinde erfordert Organisationstalent

Im Gottesdienst ist Improvisation gefragt: Kirchenmusik-Studium an der HFMT Hamburg

Organistin Johanna Veit an der Orgel der Hauptkirche St. Katharinen am Zollkanal in Hamburg FOTO: STEPHAN WALLOCHA

Langsam zieht Johanna Veit an einem der schwarzen Knäufe. Als sie einige Tasten auf der Klaviatur drückt, erfüllt ein warmer voller Ton des Kirchenschiffs von St. Katharinen gegenüber der Speicherstadt. „Das war der Prinzipal, eines der wichtigsten Orgelregister“, erklärt Veit und zeigt auf die hölzernen Stäbe, die in altdeutscher Schrift beschriftet sind. „Mit den Registern kann ich gezielt bestimmte Pfeifenreihen der Orgel ansteuern.“ Es gibt Tausende Möglichkeiten, um Tonhöhe und Klangfarbe zu verändern. Gerade bei Gottesdiensten ist Improvisation gefragt. „Viele kennen diese Methode nur von Jazzbands“, so Veit. Tatsächlich habe diese kreative Interpretation in Europas Kirchen schon länger Tradition. „Die Kunst ist es dabei, eine Registrierung, also Klangkombination, zu finden, die zu dem jeweiligen Stück am besten passt“, schildert die 25-Jährige. „Das ist wie beim Kochen: Man nutzt ja nicht alle Gewürze, sondern wählt gezielt welche aus, die zum Gericht passen.“

Vom Kirchenraum aus ist der Spieltisch der zum Teil mehr als 400 Jahre alten Orgel nicht zu erkennen. Er ist gut versteckt hinter den riesigen Orgelpfeifen. Damit Veit während des Gottesdienstes weiß, wann ihr Einsatz ist, hat sie einen kleinen Kosmetikspiegel neben der Orgel platziert. Darin kann sie den Pastor und die Zeichen zum Spielen sehen.

Seit drei Jahren ist die Staderin bereits Assistenzorganistin in St. Katharinen. „Für mich ist das der schönste Job der Welt“, schwärmt Veit. Was gut klingt, hat sie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HFMT) trainiert. Dort studiert sie im letzten Mastersemester Kirchenmusik. Im Sommer stehen dann ihre letzten Abschlussprüfungen und Konzerte an. Die größte Herausforderung während ihrer siebenjährigen Studienzeit: der Klavierunterricht. Viel gemeinsam haben Orgel und Klavier nämlich nicht. „Beides hat Tasten – das war’s. Nur wenige Künstler beherrschen beide Instrumente gleich gut“, sagt Veit. Die Plätze an der Hochschule sind rar. Allerdings habe in den vergangenen Jahren die Zahl der Bewerber rapide abgenommen. „Wir gehören zu den teuersten Studierenden – oft haben wir Einzelunterricht, um bestimmte Instrumente oder Methoden zu lernen“, sagt Veit.

Vorkenntnisse in verschiedenen musikalischen Metiers sind an der Hochschule in Pöseldorf ein Muss. Dazu zählen etwa auch Erfahrungen in Gesang. Für Veit war das kein Problem – sie kommt aus einer sehr musikalischen Familie. Ihre Eltern sind beide Musiklehrer. Sie selbst hat früh angefangen, in Kinderchören zu singen. „Meine Mutter sagt immer, dass ich singen konnte, bevor ich Sprechen gelernt habe“, erzählt sie und lacht. Schon während der Schulzeit spielt sie mit dem Gedanken, Kirchenmusikerin zu werden. In der Oberstufe macht Veit dann parallel eine Ausbildung zur C-Kirchenmusikerin. „Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich was für mich ist. Ich wollte mal reinschnuppern“. Die zweijährige Ausbildung ermöglicht ihr den nebenberuflichen Dienst als Organistin und Chorleiterin – und hat sie perfekt auf das Studium vorbereitet. Mit dem Hochschulabschluss kann sie hauptberuflich in dem Bereich arbeiten.

„Zwingend gläubig sein muss man für den Beruf heutzutage nicht mehr“, so Veit. „Aber sich intensiv mit Kirche, Glauben und Theologie auseinandersetzen – und zu wissen, in welchem ‚Laden‘ man ein Baustein ist, das ist sehr wichtig.“ Eine gute Kirchenmusikerin müsse vor allen Dingen ein Gespür für die Möglichkeiten der jeweiligen Gemeinde entwickeln – und pointiert eigene Stärken, Schwerpunkte und Ideen als Künstlerin einbringen.

Diesen künstlerischen Balanceakt kann sie bald schon unter Beweis stellen. Denn für sie steht der weitere berufliche Weg schon fest: Sie tritt in wenigen Wochen eine Vollzeitstelle in der Kirche St. Marien in Ohlsdorf an. Dort wird sie dann den musikalischen Bereich leiten und Konzerteplanen, Chorunterricht geben, Orgel spielen oder Programmhefte schreiben. Dass sie dann an den Wochenenden, vor allem am Sonntag, arbeiten wird, stört die passionierte Kirchenmusikerin nicht. „Ich mache mein Hobby zum Beruf“, sagt Veit. Die Orgel von St. Katharinen wird sie zwar vermissen. Doch auch in Ohlsdorf wartet auf die Kirchenmusikerin ein Instrument mit über 3000 Pfeifen. Gewiss wird sie auch dort die passenden Register ziehen. SABRINA JUNGE
 

Job-Info

Ausbildungsdauer: 12 Fachsemester an einer Hochschule
Voraussetzungen: musikalische Vorkenntnisse u. a. an Klavier und Orgel, Freude an der Arbeit mit Menschen und Freude am Singen
Einstiegsgehalt: ab 3577 Euro, jede Landeskirche hat einen eigenen Tarifvertrag
Perspektiven: gut
Weiterbildungsmöglichkeiten: Vertiefung der künstlerischen Ausbildung, Erwerb pädagogischer Qualifikationen, um zu unterrichten, beispielsweise an Hochschulen oder Musikakademien
Weitere Infos: www.kirchenmusik-in-hamburg.de
https://forum-kirchenmusik.de


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