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Für Menschen mit hohem Betreuungsbedarf bleibt ein eigenständiges Leben meist ein Traum. Beim Wohntraining des Rauhen Hauses kommen einige seiner Verwirklichung einen großen Schritt näher.

TmA-Training für den Alltag im Rauhen Haus in Hamburg

Armin Zeller und Patrick Hofmann nehmen beide am Wohntraining des Rauhen Hauses teil. Foto: Philipp Reiss/Das Rauhe Haus

Ulrike Stelljes leitet den Stiftungsbereich „Teilhabe mit Assistenz“. Foto: Stefan Albrecht/Das Rauhe Haus
Ulrike Stelljes leitet den Stiftungsbereich „Teilhabe mit Assistenz“. Foto: Stefan Albrecht/Das Rauhe Haus

Patrick Hofmann hat ein Ziel: „Ich möchte mal allein wohnen“, erklärt der 39-Jährige. Seit Kurzem ist er Mieter in der auf dem Stiftungsgelände des Rauhen Hauses gelegenen Alten Bäckerei, einem barrierefreien Neubau für Menschen mit Behinderung. Acht von denen, die dort wohnen, sind vorher in einer Wohngruppe des Rauhen Hauses stationär betreut worden. Ebenfalls in die WG eingezogen sind elf Menschen mit Behinderung, die bisher von anderen Trägern betreut wurden oder bei ihren Familien gelebt haben. Zusammen werden sie in einem zwei- bis dreijährigen Wohntraining am Ort intensiv begleitet und gefördert, um ihnen eine eigenständige Lebensgestaltung zu ermöglichen. „Dazu gehören Einkaufen, Kochen, Putzen, Waschen, aber auch die Verwaltung von Finanzen, Freizeitgestaltung und soziale Kontakte“, erläutert Teamleiter Thomas Bundesmann.
     

Jede, jeder hier hat einen anderen Stand, eigene Wünsche und Ziele. Patrick Hofmann will mehr Freiheiten und mehr Privatsphäre. Dass er sein eigenes Badezimmer hat und seine Mahlzeiten selbst zubereiten kann, findet er prima. „Aber meine eigene Wohnung würde ich ganz anders gestalten, vielleicht schwarze Wände“, lacht er. Seinem Mitbewohner Armin Zeller gefällt vor allem das Zusammenleben. „Ich finde hier immer jemanden zum Tischtennisspielen“, so der 56-Jährige.

Nach dem Wohntraining muss niemand ausziehen, alle können in der Alten Bäckerei bleiben. Das macht dieses Modell einzigartig und gibt den Bewohner*innen eine große Sicherheit, vor allem denen unter ihnen mit einem hohen Förderbedarf. „Keiner wird entlassen, weil er etwas nicht kann“, sagt Thomas Bundesmann. „So können sich alle ausprobieren und ihren Weg finden.“ csl

Wohntraining: Teilhabe für alle

„Jeder kann selbstbestimmt im eigenen Wohnraum leben, wenn die Unterstützung entsprechend ist. Das gilt auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf“, findet Ulrike Stelljes, Stiftungsbereichsleiterin des Bereichs Teilhabe mit Assistenz (TmA) des Rauhen Hauses. Mit dem Wohntraining bietet das Rauhe Haus ein Modell an, das richtungweisend bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes sein könnte, denn es trennt Wohnen und Assistenzleistung. Notwendige Leistungen werden individuell geplant und erbracht. Das Trägerbudget macht die Finanzierung des Wohntrainings möglich. Wichtig war dem Rauhen Haus dabei, dass das Modell auch für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf geeignet ist. „Wir wollen im Rahmen von gesellschaftlicher Teilhabe niemanden ausgrenzen, das ist eine Frage der Haltung“, betont Ulrike Stelljes. Die Ev. Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie begleitet das Modell mit einer Evaluation. „So entsteht eine Verbindung zwischen Praxis und Wissenschaft, also Forschung unter realen Bedingungen, die wir nutzen, um das Angebot unter Beteiligung aller weiterzuentwickeln“, so Ulrike Stelljes.

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