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Themenwelten Hamburg
Einer sinnstiftenden, wertschöpfenden Tätigkeit nachgehen – das wünschen sich auch Menschen mit einer Behinderung. Aus diesem Grund hat die alsterdorf assistenz ost 2014 die Bücherbörse, eine Umschlagstelle für gebrauchte Bücher, ins Leben gerufen. Gespendete Lektüre wird dort von Klient*innen der Tagesförderung Bargenhof sortiert und online verkauft

Eingliederungshilfe trifft Nachhaltigkeit bei alsterdorf assistenz ost in Hamburg


Wer sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, muss sich früher oder später die Frage stellen, was mit den Dingen geschehen soll, die ungenutzt in der Wohnung verbleiben, weil sie zu schade zum Wegwerfen sind. Mit dem ein oder anderen Buch ist das allerdings schwierig, „enthält“ es doch oft Erinnerungen, etwa an einen Urlaub, an die Studienzeit oder an den Menschen, der es einem geschenkt hat.

Natürlich gibt es Flohmärkte und Online-Portale, über die man Bücher verkaufen oder verschenken kann. Meist ist jedoch der logistische Aufwand dafür so groß, dass sie dann doch auf dem Dachboden verstauben oder ins Altpapier wandern. Eine schöne Alternative wäre es doch, wenn man die guten Stücke von andern verkaufen ließe und damit gleichzeitig noch etwas Gutes tun könnte. Das dachte sich auch Stefan Ehlers, der 2012 die Software „Buch-Meister“ entwickelte. Das ist ein digitales Buchhandlungsprogramm, das Ehlers speziell für Menschen mit einer Behinderung konzipiert hat. Es vereinfacht das Erfassen, Katalogisieren und den Weiterverkauf von Büchern.

Stellen Sie sich nun vor, Sie haben einen Karton voll alter Bücher und bringen diesen zur Annahmestelle in die Tagesförderung Bargenhof in Wandsbek. Dort werden Sie von dem Assistenzteam und den Klient*innen begrüßt, die Ihre Bücher dankend in Empfang nehmen. Damit ist Ihr Teil der Arbeit bereits erledigt. Für die Beschäftigten der Tagesförderung geht es dagegen jetzt erst los. Sie müssen jedes Exemplar begutachten und auf Mängel wie Flecken und Gerüche untersuchen. Nur gut erhaltene Ware eignet sich zum Weiterverkauf.

Kognitive Herausforderung

Die Vorsortierung ist ein essenzieller Teil des Bildungsprozesses bei den Beschäftigten. „Es gibt Menschen in unserer Tagesförderung, denen es schwer fällt, alltägliche Entscheidungen zu treffen. Für diese Menschen ist es hilfreich, wenn sie täglich üben, anhand festgelegter Kriterien gute von schlechten Büchern zu unterscheiden“, erläutert Frank Hellberg, Assistenzteamleiter der Tagesförderung und Initiator des Projekts.

Bücher, die den äußeren Qualitäts-Check bestanden haben, werden über den Barcode beziehungsweise die ISBN-Nummer im Buch-Meister-Programm erfasst. Dieses gibt auch Auskunft darüber, welchen aktuellen Marktwert ein Titel auf Amazon hat. Die Software bedient sich eines einfachen Ampel-Systems, das es Menschen mit geistigen Einschränkungen leicht macht, festzustellen, wie wertvoll ein Buch ist.

Nicht nur die kognitive Herausforderung stellt einen Mehrwert für die Beschäftigten mit Behinderung dar. „Die Arbeit mit Büchern hat eine ganz besondere Wirkung auf die Klient*innen. Die Haptik, die Bilder – selbst Menschen, die nicht lesen können, spüren diese gewisse Faszination, wenn sie ein Buch durchblättern. Ihre Lieblingsexemplare dürfen sie daher selbstverständlich behalten“, sagt Frank Hellberg. Die Erlöse aus dem Bücherprojekt werden für die Ausgestaltung weiterer Angebote in der Tagesförderung verwendet.

Wenn auch Sie ein gebrauchtes Buch aus der Tagesförderung bestellen möchten, suchen Sie im Internet nach dem Schlagwort „Bücherbörse Amazon“. Alternativ freut sich die alsterdorf assistenz ost auch über eine Bücherspende. Bitte vorher mit der Tagesförderung absprechen. csl

Kontakt: Frank Hellberg,
Tel. 040/ 68 86 06 36


Kontakte knüpfen im GeschwisterNetz

Wenn Kinder einen Bruder oder eine Schwester mit Behinderung haben, prägt das oft ihr ganzes Leben. In der Familie stehen Kinder mit einer Behinderung oft im Vordergrund und nicht behinderte Geschwister entsprechend häufig in der zweiten Reihe. Schaffen es ihre Eltern im hohen Alter dann nicht mehr, sich um die Belange der mittlerweile erwachsenen Kinder mit Behinderung zu kümmern, übernehmen sie in der Regel die Verantwortung. Um solche Geschwister zu unterstützen, hat die Lebenshilfe vor fünf Jahren das GeschwisterNetz gegründet. Dort können sie in einem geschützten Raum und unabhängig vom Wohnort Kontakte knüpfen. Rund 700 Geschwister von Menschen mit Behinderung nutzen das digitale Netzwerk bereits und profitieren so von einem deutschlandweit einzigartigen Angebot. In dem digitalen Netzwerk kann man sein eigenes Profil anlegen, Momente und Bilder miteinander teilen, sich in Foren über seine Erfahrungen austauschen. Auch bietet die Online-Plattform wichtige Informationen zu Themen wie dem Betreuungsrecht und den verschiedenen Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung. Über das GeschwisterNetz können sich Nutzer*innen außerdem zu regionalen Zusammenkünften und Aktionen verabreden. Und einmal im Jahr lädt die Lebenshilfe normalerweise zu einem bundesweiten Treffen ein. Die Lebenshilfe schätzt die Zahl der erwachsenen Geschwister auf etwa 550.000 deutschlandweit. Interessierte Geschwister im Alter ab 14 Jahren sind auf der Plattform herzlich willkommen und können sich unter www.geschwisternetz.de anmelden.
   

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