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Skiurlaub in Ischgl: Auf den Spuren der Schmuggler

Im Grenzgebiet zwischen Österreich und der Schweiz wurde früher heimlich Butter gegen Nylonstrümpfe getauscht. Heute können Skifahrer die Schleichwege rund um Ischgl abfahren

Ischgl ist im Winter ein bei Hamburgern beliebter Urlaubsort. Foto: TVB Paznaun – Ischgl/Stefan Kürzi
Ischgl ist im Winter ein bei Hamburgern beliebter Urlaubsort. Foto: TVB Paznaun – Ischgl/Stefan Kürzi
Text: Silvia Stammer

Das geht ja schon gut los: Obwohl bunt gekleidete Skisportler scharenweise Richtung Ticketschranken strömen, kommt kein Gedränge auf. Die großen, schwarz-roten Gondeln der Pardatschgratbahn schlucken die Urlauber zügig und bringen sie – fast alle können in den 28-Sitze-Kabinen bequem verweilen – hoch zum Berg auf rund 2600 Meter. Das Ischgler Motto „Relax if you can“ – hier stimmt es. Durch die gute Infrastruktur beginnt der herrliche Wintertag entspannt, denn nichts nervt den mit den Skischuhen scharrenden Gast morgens mehr als dauerhaftes Anstehen.

Dabei ist der Slogan „Entspann dich – wenn du kannst ...“ eigentlich eher als unterschwellige Aufforderung zu verstehen: Wer in der Partyhochburg im Westen Tirols Langeweile verspürt, ist selbst schuld. Nirgendwo wird vermutlich intensiver Après Ski gefeiert als in Ischgl. Am Berg zum Beispiel in der Paznauer Taya-Hütte und im Tal im „Schatzi“ – in Letzterem im Kiezmodus à la Hamburg-St. Pauli mit Tabledance. Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
  
Doch noch ist es nicht so weit. Zuerst warten 239 Pistenkilometer vom Feinsten auf die Touristen. Die Silvretta-Arena Ischgl-Samnaun gehört zu den vielfältigsten Skigebieten in den Alpen. Rund um Greitspitze (2872 Meter), Palinkopf (2864 Meter) und den Piz Val Gronda (2812 Meter) tun sich Panoramablicke und perfekte Hänge mit Puderschnee abseits der Pisten auf. Herzstück des Skigebietes ist das stets gut präparierte Idalp-Plateau auf 2320 Metern. In diesem überschaubaren Areal treffen sich die Teilnehmer der Skikurse, starten die Freerider zu den Schanzen und Boxen, und hier stellt sich auch die Frage, die es in dieser Form nur in Ischgl gibt: Österreich oder Schweiz – wo fahren wir jetzt hin?
  
Auf den Spuren der Schmuggler Image 1
Die enge Nachbarschaft der Bergvölker hat der alpinen Ecke zwischen Arlberg und Serfaus ihren einzigartigen Stempel aufgedrückt. Um das zu verstehen, muss man bis ins Jahr 1768 zurückblicken, als Ischgl seine Zollfreiheit verlor. Samnaun in der Schweiz hat sie behalten. Schon früh begann ein schwunghafter illegaler Handel mit Butter, Käse und Fellen aus Österreich Richtung Samnaun. Im Gegenzug wurde von den Eidgenossen „schwarz“ Zucker (oder das leichtere Sacharin), Reis oder Mehl geholt, später gerne Kaffee und Nylonstrümpfe. Der Handel florierte, Schmuggler und Zöllner pflegten einen geradezu freundschaftlichen Umgang (wer erwischt wurde, musste lediglich die Ware abgeben). So erzählte es einer der letzten Zeitzeugen, der ehemalige Schmuggler Emil Zangerl, der kürzlich im Alter von 86 Jahren starb. Vertreter beider Parteien seien miteinander im Gasthaus gesessen, als sich die Gesetzeshüter erkundigten, wo denn die anwesenden Damen ihre Nylonstrümpfe „gekauft“ hätten...
  
Silvretta-Arena. Foto: Imago
Silvretta-Arena. Foto: Imago
„Geschmuggelt wird heute noch“, erzählt Reinhard Salner (49), Skiguide und -lehrer aus Ischgl, „aber keine Strümpfe und kein Kaffee, sondern Schmuck und Uhren.“ So kaufen Kenner bestimmte Luxuschronometer für schlappe 5700 statt 8000 Euro in den Glitzerläden von Samnaun. Natürlich mit Originalschachtel, für einen möglichen späteren Weiterverkauf. Und noch immer haben Zöllner einen Blick auf den schlagbaumlosen Grenzverkehr. An diesem Wintertag wird am Flimsattel eine Gruppe Holländer in Lederhosen von einem Ermittler in Zivil gestoppt. Einer muss seinen großen Rucksack öffnen – doch er hat Glück, denn Zigaretten und Alkohol in seinem Ranzen werden auf die ganze Gruppe umgelegt und entsprechen somit den gültigen Vorschriften (zollfrei sind Waren bis zu 300 Euro, mehr unter www.samnaun.ch).

In jedem Fall erlaubt ist eine „Schmugglerrunde“ in Ischgl: So heißt seit der Saison 2016/2017 eine Skirunde in drei verschiedenen Längen- und Schwierigkeitsgraden. Sie berührt diverse Übergänge, die einst die Ischgler Schmuggler nahmen. „Bis zu 50 Kilo hatte jeder auf dem Rücken“, weiß Skiguide Reinhard. An den O-Beinen und der kräftigen Statur erkannte man im Ort, wer solche Nebentätigkeiten ausführte. Von Schmugglererlösen wurde 1952 der erste Lift im Ortsteil Brand finanziert. Richtig aufwärts ging es mit dem Gebiet 1979, als Pionier und Bürgermeister Erwin Aloys (1910 bis 2002) den Zusammenschluss mit dem Schweizer Skigebiet forcierte. Aktuell hinkt der Standard der Schweizer Lifte den österreichischen Komfortbahnen hinterher, doch Millioneninvestitionen sind geplant.

Auf die Strömungen der Zeit reagieren – das hat man in Ischgl stets verstanden. Einer der jüngsten Gimmicks ist der „Skyfly“, eine Zipline durch die Kitzlochschlucht: An der Mittelstation der Silvrettabahn schnallen Wagemutige die Ski ab und bekommen sie auf den Rücken gebunden. Der erste Blick zum Tal bringt kurz den Satz ins Hirn „Wollte ich das wirklich?“ – doch die folgende Zwei-Kilometer-Rutschfahrt bis aufs Dach der Pardatschgratbahn-Station macht großen Spaß. Wer Unterhaltung sucht, ist in Ischgl immer richtig. Schon seit vielen Jahren locken die „Top of the Mountain“-Konzerte mit berühmten Künstlern ein internationales Publikum an. Elton John, Lionel Richie, Alanis Morissette, Wir sind Helden und, und, und ... Wer durch den Dorftunnel spaziert, sieht die Mitwirkenden der vergangenen Jahre als Fotogalerie vorüberziehen. Ansonsten hat dieser Tunnel ebenso wie die Verbindung unter der „Parking Lounge“ zur Pardatschgratbahn den Charme einer nordkoreanischen Raketenversuchsanlage. Ob sich die Macher auch hier noch etwas einfallen lassen, um die kahlen Wände etwas freundlicher zu gestalten?

Manchmal muss selbst in Wintersportorten, die wie Ischgl stets am Puls der Zeit sind, eine Strategie nachjustiert werden. Um die Partygänger im Alpen-Hotspot zu domestizieren, gilt inzwischen ab 20 Uhr ein Skischuhverbot, das durchaus kontrolliert wird. Heißt: Schnapsselige müssen sich dann ins Hotelzimmer oder Appartement schleichen. Oder auf Socken weiterfeiern.
  

Anreise
Flug ab Hamburg nach Innsbruck z. B. mit Eurowings oder Lufthansa. Vom Flughafen Innsbruck per Taxitransfer nach Ischgl (drei Personen ab 145 Euro). Mit der Bahn ab Hamburg bis Landeck-Zams in Österreich, dann in einer Stunde weiter mit dem Postbus nach Ischgl.

Unterkunft
Apart Salner, Apartment pro Nacht ab 85 Euro, Tel. 0043/54 44/56 83
www.apart-salner.at

Hotel Madlein, Ü/F im DZ ab 200 Euro pro Person, Tel. 0043/54 44/52 26
www.madlein.com

Hotel Tannenhof, Ü/HP ab 84 Euro pro Person, Tel. 0043/54 44/54 72
www.tannenhof-ischgl.com

Info
Auskünfte zu Ischgl, Paznaun, Galtür und See unter der Telefonnummer 0043/ 50 990 100 und im Netz: www.ischgl.com

(Die Reise wurde unterstützt vom Tourismusverband Paznaun Ischgl.)
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