Warum eine Hausbar überhaupt nicht spießig ist, erklärt die Hamburger Designerin Ulrike Krages
James Bond mixte sich daheim gerne einen Martini, Don Draper aus der Serie „Mad Men“ kam nicht ohne einen „Old Fashioned“ aus, und die Hamburger Designerin Ulrike Krages trinkt am liebten einen „Skinny Bitch“ – gerne an der eigenen Hausbar gemixt. Die 59-Jährige favorisiert Wodka und Gin, weil sie wenig Kalorien haben, und kombiniert den Alkohol mit Soda Water, Limettensaft und vielen frischen Kräutern.
Mit der Bar in den eigenen vier Wänden zeichnet sich ein neuer Interior-Trend ab, der besonders in Zeiten von Corona zunehmend Fans gewinnt. „Wir werden uns daran gewöhnen, dass die Bar der Zukunft mehr Abstand unter den Gästen vorsieht, was zulasten der Atmosphäre geht. Dazu kommt das Rauchverbot. Diese Umstände rücken den Fokus zukünftig auf die Bar in unserem eigenen Zuhause. Neben der Küche wird sie in den kommenden Jahren einen neuen Mittelpunkt bilden“, sagt Ulrike Krages.
Ihre eigene Bar zu Hause an der Johnsallee wirkt so einladend, dass, wann immer Gäste vorbeischauen, sie sich gleich an die Bar begeben. Wie ein Magnet scheint der hölzerne Tresen mit den rosafarbenen Barhockern zu wirken. Es kann nicht nur am Inhalt der Flaschen liegen, die vor einer verspiegelten Wand angestrahlt werden (einfach Glasfliesen und LED-Bänder im Baumarkt besorgen, fertig ist der perfekte Hintergrund).
Das Beste an einer Hausbar stellt laut Krages die klare Zuweisung dar. Auf der einen Seite die Gäste, auf der anderen Seite der Gastgeber. Keine Frage, wer wen bedient. „Ich habe so gleich eine Aufgabe, und die unangenehme Pause fällt weg, wenn ich nach Getränkewünschen frage“, so die Wohn-Expertin. Sonst müsse man in die Küche oder zum Kühlschrank eilen, mit einer Hausbar bleibt man mitten im Geschehen und stellt die Drinks vor den Augen der anderen her.
"Die Bar wird zu Hause neben der Küche einen neuen Mittelpunkt bilden"
Ulrike Krages, Wohn-Expertin
Elegant und kultiviert erscheinen die Hausbars von heute, sie haben nichts mehr zu tun mit den hölzernen Dingern von früher, mit zugequalmten Räumen, Altherrenwitzen und Cognacschwenkern. Die Hochzeit der Hausbars im deutschsprachigen Raum begann in den 1950er-Jahren und ging bis in die 1970er. Bereits 1932 gab es in einer Zeitschrift für Innendekoration eine Geschichte über die „Kleine Hausbar“. Sie sei eine „der Erfindungen unserer Neuzeit“. Und entwickelte sich vom relativ primitiven Anfang, bei dem einfach eine Flasche hinter Büchern versteckt wurde, zu einem Lagervorrat von Likör und Zigarren in einem Fach des Bücherschrankes. „Glas, Metall, synthetische Werkstoffe mit glänzend sauberen Oberflächen gewähren die appetitliche Wirkung und die beste Aufbewahrung des köstlichen Schrank-Inhaltes,“ heißt es in der Zeitschrift. Irgendwann machte sich das Spirituosen-Fach dann beweglich und kam als Likörwagen oder Barschlitten über den Teppich angerollt.
Wenig schön waren die im Keller versteckten Bars. „Direkt daneben lag wahrscheinlich noch die Sauna“, sagt Ulrike Krages lachend. Immerhin sah man vom Untergeschoss aus selten, wann die Sonne aufging und man endlich mal ins Bett müsste. Heute wird offensichtlich und gerne auch tagsüber angestoßen, „Daydrinking“ heißt das Stichwort der Stunde. Vorteil: weniger Kopfschmerzen am nächsten Tag.
Wer dennoch lieber abends trinkt, der benötigt ein gutes Lichtkonzept, findet Krages: „Entscheidend bei einer Bar sind das Licht und die Stimmung, die dadurch erzeugt wird.“ Gerade in Hamburg, wo der Himmel leider häufig gräulich wirkt und in Neubauten viel Beton und Glas verbaut werden, fällt es schwer, eine wohlige Atmosphäre zu verbreiten. Ulrike Krages hat deshalb neben den LED-Bändern, die sie hinter die Regale geklebt hat, auch Kerzenständer auf dem Tresen platziert. Dazu eine Karaffe und Gläser aus der eigenen Kollektion.
Mit ihrem Design- und Architektur-Unternehmen „UK Urban Comfort by Ulrike Krages“ entwickelt sie ganzheitliche Barkonzepte, die fast ein gastronomisches Erleben ermöglichen. Ihr eigener Tresen ist 1,20 Meter hoch, an eine Bar muss man sich gut anlehnen können. Die Stühle brauchen stets eine Abstellmöglichkeit für die Füße, sonst sitzt man nicht lange darauf. Krages hält wenig von Kunstlederpolstern. Natürlich wären die leichter zu pflegen, und an einer Bar besteht durchaus die Gefahr des Kleckerns. „Doch ich rate dennoch zu guten Stoffen. Niemand mag heutzutage noch auf komischen Untergründen sitzen.“
Nicht jeder wird wie Ulrike Krages einen Wasserhahn zum Abspülen in seine Hausbar integrieren können, doch frisches Eis kann sich jeder an der Tankstelle besorgen. Die Designerin pflanzt Thymian und Minze im eigenen Garten für Cocktails an, die gibt es auch im Supermarkt, genauso wie Sardellen, die die Wohn-Expertin aufgrund ihres Öls zu den Getränken reicht. Es müssen nicht immer Nüsse sein.
Für eine Bar braucht man übrigens nicht viel Platz. „Man könnte sie zum Beispiel in den Flur integrieren, den nutzten viele Leute gar nicht richtig“, empfiehlt die Designerin. Was man also braucht, ist nur eins: die Lust auf einen kultivierten Drink. Yvonne Weiß