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Themenwelten Hamburg
Menschlich

Inklusives Leben im Stadtteil

Leergefegt ist die Volkshochschule in Farmsen- Berne heute. Bei 29 Grad im Mai kein Wunder. Doch im Raum 109 ist mächtig was los

Stets gut gelaunt arbeitet die Gruppe aus Klienten und Mitarbeitenden 
Stets gut gelaunt arbeitet die Gruppe aus Klienten und Mitarbeitenden 
Hier trifft sich die Projektgruppe Farmsen-Berne des BHH Sozialkontor. Menschen mit Behinderung und Mitarbeitende aus drei Einrichtungen sitzen an einem Tisch und entscheiden mit. Dies sei garantiert kein Pädagogen-Talk, versichern alle.

Gudrun ist schon seit sechs Uhr auf den Beinen. Sie kommt direkt von der Arbeit. Franko Wittrock kommt immer zu spät. Mit seinem E-Rolli braucht er mehr als eine Stunde zum Treffen. Der Weg ist alles andere als barrierefrei. Alle sind ein wenig ausgepowert, aber das Treffen ist wichtig: Die Gruppe entscheidet heute über ihr eigenes Logo. Gut und professionell soll es sein. „Denn wir wollen nicht nur Kaffee trinken, wir wollen in den Stadtteil wirken und etwas bewegen“, erklärt Initiator und Projektleiter Michael Wild.
Worum geht es hier eigentlich? Wild erläutert: „Wenn ich groß denke, geht es um eine Vision für mehr Wahlmöglichkeiten, mehr Handlungsfreiheit und mehr Spielräume. Wenn ich in kleineren Schritten denke, geht es um das Vernetzen von Einrichtungen, Nachbarschaften und Entscheidern aus Politik und Verwaltung. Und das Ganze für ein inklusives Leben in Farmsen-Berne. Was in der Theorie so schön klingt, wie ‚Menschen mit Behinderung sollen selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben‘, ist harte Arbeit und die leisten wir hier.“

Christina Sittig-Schubert, Projektkoordinatorin BHH Sozialkontor, und die Klientin Hannelore Stoffers wollen das Engagement im Stadtteil stärken
Christina Sittig-Schubert, Projektkoordinatorin BHH Sozialkontor, und die Klientin Hannelore Stoffers wollen das Engagement im Stadtteil stärken
Seit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 ist die inklusive Gesellschaft als Leitbild gesetzlich festgeschrieben. Seitdem hat sich viel getan. So wird die Arbeit der sozialen Träger heute von Werten der Teilhabe und Inklusion und den Konzepten der Sozialraumorientierung getragen. Selbstverständlich sollen Menschen mit Behinderung Teil der Gesellschaft sein. Dennoch sind ihre Lebenswelten immer noch in Schubladen von stationär oder ambulant verhaftet. Und immer noch sind die persönlichen Netzwerke zum großen Teil durch professionell Begleitende, Eltern, Geschwister und andere Menschen mit Behinderungen geprägt.

Das BHH Sozialkontor hat Farmsen-Berne als Modellregion für ihre Projektgruppe ausgewählt, um die Vision von mehr Wahlmöglichkeiten – durch mehr Vernetzung – voranzutreiben. „Wir haben uns für diesen Stadtteil entschieden, weil wir hier seit mehr als 30 Jahren mit Wohnangeboten präsent sind und die Vernetzung im Stadtteil schon sehr etabliert ist“, erklärt Sandra-Ullrich-Rahner, Leitung Entwicklung im BHH Sozialkontor; sie ist federführend verantwortlich für dieses Projekt. In Farmsen-Berne nutzen 121 Klienten die Leistungen des BHH Sozialkontors. Es gibt das Hilda-Heinemann-Haus als Wohneinrichtung, die Hausgemeinschaft Farmsen-Berne und den Treffpunkt Hamburg Ost mit einem ambulanten Leistungsangebot.

Auch Franko Wittrock engagiert sich in der Gruppe
Auch Franko Wittrock engagiert sich in der Gruppe
Ein beeindruckendes Beispiel: Die Projektgruppe hat es mit ihren Ideen zu öffentlichen Wegen und dem Nahverkehr bis zum Wandsbeker Bezirksamtsleiter Thomas Ritzenhoff geschafft. Nötige Baumaßnahmen wurden besprochen. Ergebnis des Treffens bei ihm war eine Begehung mit dem Wegewart. Erste Stolperfallen sind bereits abgebaut. Der eigentliche Erfolg liegt aber darin, dass Klienten ihre Ideen selbst vorgetragen haben und dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet ist. So lösen sich separierende Lebenswelten auf. Wild: „Wenn wir das schaffen – Schritt für Schritt – haben wir viel erreicht.“

Kooperationspartner sind gesucht

Die Projektgruppe hat sich für ein farbenfrohes Logo entschieden. Ein leuchtend orangefarbenes Haus mit einem Smiley-Lachen steht für ihr schönes Zuhause in Farmsen-Berne. Der Schriftzug „Für ein inklusives Leben in Farmsen-Berne“ ist Motto und Aufruf zugleich. In der nächsten Woche präsentiert die Gruppe ihr Motto und ihre Arbeit bei der Haspa, denn sie ist immer auf der Suche nach Kooperationspartnern.

Das Projekt

Das Projekt „Zuhause in Farbe – Inklusiv leben in Farmsen Berne“ ist auf fünf Jahre angelegt. Projektbeginn war im Januar 2017. Das Projekt ist in drei Bausteine gegliedert. Die ersten Bausteine „Eigene sozialräumliche Angebote weiter vernetzen“ und „Erschließung des Quartiers“ sind auf den Weg gebracht. Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren aus der Region Farmsen-Berne wird weiter intensiviert. Abschließend werden Strukturen und ein Konzept für bedarfsgerechte Unterstützungsleistungen und Wohnangebote entwickelt.

Die IFB Hamburg fördert Umbauten

Finanzielle Unterstützung für Aus- und Umbauten im Eigenheim gibt es bei der Hamburgischen Investitionsund Förderbank (IFB Hamburg), die im öffentlichen Auftrag der Stadt Hamburg tätig ist. Sie fördert bauliche und technische Maßnahmen, um Wohnraum für Menschen, die ein Handicap haben oder älter als 60 sind, geeignet zu machen. Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung: Die Wohnung muss nach dem Umbau stufenlos erreichbar sein. Für die Bereitstellung von Treppenliften, barrierefreien Badezimmern, ausreichend breiten Türen, barrierefreien Balkon-Zugängen, geeigneten Bodenbelägen oder Gegensprechanlagen mit Türöffner werden pauschale Bauteilzuschüsse zwischen 3000 und 15.000 Euro gewährt. Dabei gelten allerdings bestimmte Einkommensgrenzen. Neu ist die Förderung für das Herrichten einer barrierefreien Küche (1200 Euro je Wohneinheit). Im Einzelnen mitfinanziert werden hier: ergonomisch eingebaute Elektrogeräte, Abschaltautomatiken, Haltegriffe, ein Sitzarbeitsplatz mit Steckdose, Unterschränke mit Schubladen bzw. Auszügen, beleuchtete Arbeitsplatte, Griffverlängerung für Armaturen und Fenster, rutschfester Bodenbelag inklusive Maler-, Fliesen-, Elektro- und Heizungsarbeiten. Auch Vermieter können bei der IFB Hamburg Zuschüsse für einen barrierefreien Umbau beantragen. Dabei entstehen Miet- und Belegungsbindungen. Zusätzlich kann der Einbau von Aufzugsanlagen gefördert werden.

Die IFB Hamburg unterstützt schon bei der Antragstellung. Ausführliche Informationen zum barrierefreien Umbau, die Förderrichtlinien zum Herunterladen und einen Überblick zu allen anderen Förderprogrammen der IFB Hamburg finden sich im Internet unter www.ifb-hh.de. Einen Beratungstermin bekommt man unter Tel. 248 46-476.


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