Anzeige
Themenwelten Hamburg
Tennis in Hamburg

Wir sind Trainingsweltmeister

Matches statt Trainingstrott

Acky Kälz wurde vom DTB für außergewöhnliche Leistungen im Trainingsbereich und Lehrwesen geehrt.
Acky Kälz wurde vom DTB für außergewöhnliche Leistungen im Trainingsbereich und Lehrwesen geehrt.
Acky Kälz, Cheftrainer Des Ntv Niedersachsen

Leider sieht es meist im Trainingsbereich der Jugend so aus, dass eine, höchstens zwei Stunden in der Woche trainiert werden kann. Dass das Matchtraining dabei zu kurz kommt, ist klar. Trotzdem glauben viele Jugendliche und noch mehr deren Eltern, dass es sich die Trainer sehr einfach machen, wenn in den Trainingsstunden Matche gespielt werden. Ich bin der Meinung, dass viel zu wenig Sätze bzw. Matchsituationen im Training gespielt werden. Jugendliche im Leistungsbereich sollten Minimum zwei Matchtage in der Woche haben, um das ewig Trainierte dann auch richtig umzusetzen, idealerweise unter Beobachtung des Trainers. (Thies Röpcke)

Acky Kälz, Cheftrainer des Niedersächsischen Tennisverbandes, wurde vor kurzem vom DTB für außergewöhnliche Leistungen mit einem Award für das deutsche Tennis geehrt. In der zweiten Novemberwoche hielt er zwei Vorträge in der Hamburger Verbandshalle im Rahmen der Trainerfortbildung.

Er brachte für TENNIS in Hamburg seine Meinung, öfter Matchtraining ins Jugendprogramm einzubauen, auf den Punkt:

In Deutschland hat sich seit den Zeiten von Gottfried v. Cramm, Wilhelm Bungert oder Helga Masthoff einiges in der Trainingspraxis geändert – keine Frage, es muss sich ja auch einiges geändert haben, schließlich haben sich die Ansprüche von Trainern, Spielern und Umfeld immens geändert. Manchmal allerdings könnte man auf die Idee kommen, dass früher einiges optimaler oder besser war, weil es noch nicht so viel organisiertes Training gab. Das hört sich so an, als wollte ich meinen eigenen geliebten Beruf des Tennistrainers in Frage stellen – so ist es aber keineswegs. Ich möchte nur auf Möglichkeiten hinweisen, die kein Geld kosten, keine Riesenstrukturen benötigen oder auch sonst keinen großen Aufwand mit sich bringen und vielleicht das Training optimieren. Zweimal in der Woche Tennistraining bei einem vom Verband ausgebildeten C-, B-, oder A-Trainer, das wäre in den Sechziger-Jahren nahezu unvorstellbar gewesen. Training war nur einigen wenigen vorbehalten, war zu teuer oder es gab zu wenige Trainer.



Was war daran besser bzw. was könnten wir heute verbessern oder ändern? Wenn man früher Tennis spielen und erlernen wollte, musste man sich verabreden! Man spielte quer durch den Verein – natürlich meist möglichst gegen Bessere. Man absolvierte viele Tennismatches, lernte Tennis nach dem Prinzip „try and error“ – „Versuch und Irrtum“. Wer also einen Stop trainieren wollte, spielte ihn im Spiel so oft, bis er kam oder das Match verloren ging. Deshalb spielte man auch ganz gern einmal gegen einen schwächeren Spieler, bei dem man diesen Stop ausprobieren konnte, ohne gleich an den Rand einer Niederlage gedrängt zu werden. Denn bekanntlich geben Siege im Training durchaus auch Selbstbewusstsein. Heute gehört das Training und die Ausbildung der Trainer in Deutschland sicherlich mit zu dem besten, was es im Tennis weltweit zu bieten gibt. Wir sind gut durchorganisiert, können mit Methoden, Intensitäten, Belastungsdauer, Schlagtechniken, Taktik und Psyche schon recht gut umgehen. Also, woran fehlt es denn dann eigentlich?

Genialität ohne Training?

Wir sind Trainingsweltmeister Image 1
Die Antwort liegt für mich auf der Hand; Es muss wieder mehr gespielt, gematched, ausprobiert werden – vor allen Dingen bei den Jugendlichen. Es fehlen die Matches ohne Coach, ohne Eltern, die Chance zu Selbsttest, ohne dass gleich Sanktionen, Ergebnisdiskussionen erwartet werden müssen. Teilweise werden Jugendliche, die im Training etwas eigentlich Geniales ausprobieren wollen, für diese Art von Ideenreichtum sogar noch bestraft – mit ungeliebten Liegestützen, Kängurusprüngen etc.

Toll – also ausprobieren soll man nichts Waghalsiges –, aber wenn Meisterschaften sind, soll genial gespielt und gewonnen werden. Wie soll das funktionieren, wenn einem vorher die Chance genommen wurde, es auszuprobieren? Das Versuchen und Ausloten, wie weit man selbst gehen kann, ist ja gerade der Sinn des Spiels – denn ich glaube, es heißt immer noch TENNIS SPIELEN und nicht TENNIS ARBEITEN. Selbstverständlich soll systematisch geübt, Schläge in bestimmter Ausführung trainiert werden, aber wo bleibt der Raum zum selbst testen, selbst beurteilen und selbst gewinnen oder selbst verlieren?


Training ohne Druck

Mein persönliches Fazit lautet: Wir trainieren gut bis sehr gut, aber sollten dem Matchtraining mehr Bedeutung beimessen. Wir sollten es intensiver mit in das Training einbeziehen. Die Spieler brauchen Matchpraxis auch ohne Ranglistenpunkte oder sonstigen Druck. Die Spieler müssen wieder spielen lernen, um das Risiko der Schläge und Spielzüge selbst einschätzen zu können. Ein Wunsch von mir an alle Tennis-Eltern: Fahren Sie Ihre lieben Kids auch zu den unscheinbaren „Ausprobier-Spielen“ in den Club. Ihre Kinder werden es Ihnen später vielleicht mit genialen Spielzügen danken.

Ein Wunsch noch an meine Trainerkollegen: Bitte macht das Matchtraining zum offiziellen Teil des Unterrichts und lasst die Kids auch ohne ständige Beaufsichtigung ausprobieren! (Acki Kälz)
Weitere Artikel