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Themenwelten Hamburg
Menschlich

Im eigenen Rhythmus arbeiten

Windspiele anfertigen, Akten schreddern oder Produkte entwickeln und dabei die individuellen Fähigkeiten einbringen: Mit start.werk hat das Sozialkontor eine Alternative zur klassischen Werkstatt für Menschen mit Behinderung geschaffen

Im start.werk üben Menschen mit Behinderung mit Unterstützung des Leiters Stephan Fugel (Mitte) verschiedene handwerkliche Tätigkeiten aus, zum Beispiel wird gestrickt  Foto: Gesche Jäger/Sozialkontor
Im start.werk üben Menschen mit Behinderung mit Unterstützung des Leiters Stephan Fugel (Mitte) verschiedene handwerkliche Tätigkeiten aus, zum Beispiel wird gestrickt Foto: Gesche Jäger/Sozialkontor
Selbstständig zu arbeiten war für Wolfgang Müller früher selbstverständlich. Doch seit seinem Schlaganfall ist nichts mehr, wie es einmal war. Der Bergbauingenieur erlitt damals einen Hirnschaden und sitzt heute im Rollstuhl. Er lebt im Senator-Neumann-Haus, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen und neurologischen Erkrankungen in Hamburg-Bergstedt. Träger ist das Sozialkontor. Ein Job in einer klassischen Werkstatt für Menschen mit Behinderung kommt für Müller aufgrund seines Unterstützungsbedarfs nicht infrage und auf Beschäftigungsangebote wie Malen oder Kochen hat er, wie sich zeigte, keine Lust. „Die meiste Zeit saß ich nur rum“, so der 66-Jährige. Das änderte sich im April 2018, als das Sozialkontor das start.werk begründete, ein Bildungs- und Beschäftigungsangebot für Bewohner des Senator-Neumann-Hauses, die nicht in Werkstätten oder Tagesförderstätten untergebracht sind. Neben Wolfgang Müller beschäftigt start.werk noch acht weitere Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen. An fünf Tagen in der Woche, von 10 bis 14 Uhr, stellen sie dort Kunsthandwerk aus natürlichen Materialien her, zum Beispiel schön klingende Windspiele oder farbenfrohe Briefumschläge. Für Bewohner des Senator-Neumann-Hauses, die besonders viel Unterstützung benötigen, gibt es von 14 bis 17 Uhr ein noch niedrigschwelligeres Angebot, das start.werk 2. „Hier entstehen tolle und einzigartige Werkstücke, die wir gegen Spende auf dem Bergstedter Feierabendmarkt und auf Stadtteilfesten wie der Bergstedter Meile anbieten“, berichtet der Ergotherapeut und Sozialwissenschaftler Stephan Fugel, der das Programm leitet. Neben den handwerklich-kreativen Aufgaben übernehmen dessen Teilnehmer auch Auftragsarbeiten wie Drucken oder Verpacken. Außerdem ist das start. werk Mitglied in der Interessengemeinschaft IG Bergstedt und deckt flexibel deren Bedarfe. Fugel: „Neulich fragte jemand, ob wir auch Akten vernichten. Da haben wir uns kurzerhand einen Schredder zugelegt.“
   
Wolfgang Müller hat durch start. werk eine Beschäftigung gefunden, die er trotz komplexen Unterstützungsbedarfs hervorragend meistert Foto: Kati Imbeck/Sozialkontor
Wolfgang Müller hat durch start. werk eine Beschäftigung gefunden, die er trotz komplexen Unterstützungsbedarfs hervorragend meistert Foto: Kati Imbeck/Sozialkontor
Individuelle Fähigkeiten einbringen

Das Besondere an start.werk: Jede Person leistet das, wozu sie fähig ist. So sägt beispielsweise der linksseitig gelähmte Wolfgang Müller mit der rechten Hand Holz für die Windspiele. Sein Know-how als Ingenieur kann er bei der Qualitätskontrolle einbringen. Den Abschluss jedes Arbeitstages macht immer ein Bildungsangebot für die Gruppe, zum Beispiel ein Wissensquiz oder Englischunterricht. Die handwerkliche Tätigkeit und die kognitiven Übungen dienen einigen als Training für eine weiterführende Beschäftigung. In den ersten fünf Monaten hatten bereits vier der Nutzer von start.werk so viele Fähigkeiten erworben, dass sie in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung wechseln konnten. Für andere ist das hingegen keine Option, so zum Beispiel für Michael Neuß. Der gelernte Koch hat Multiple Sklerose und leidet dazu an einer Schizophrenie. Die Struktur, die die Beschäftigung bei start.werk seinem Leben gibt, möchte er nicht missen. „Ich kann mich hier nicht mehr wegdenken“, sagt er.

Nicht nur Michael Neuß, auch die anderen Nutzer identifizieren sich sehr mit start.werk. Was sie produzieren, bestimmen sie mit, wobei sie durchaus auch unternehmerisch denken. „Wir überlegen gemeinsam, welche nachhaltigen Produkte gut ankommen“, erzählt Leiter Stephan Fugel. Wie gut die gemeinsame Planung funktioniert, zeigt, dass von den Engeln, die man vergangenes Jahr für den Weihnachtsmarkt produzierte, kein einziger mehr da ist. Zusammen mit einem Mitbewohner hat der ehemalige Ingenieur Wolfgang Müller bereits eine neue Produktidee entwickelt, die im nächsten Frühjahr auf rege Nachfrage stoßen dürfte: Sie wollen Nistkästen für Meisen bauen.
  

Termine, Termine, Termine

Inklusives Naturfest der Sinne

Unterschiedliche Aktivitäten fordern beim Naturfest im Boberger Dünenhaus jeden der fünf Sinne heraus Foto MEV
Unterschiedliche Aktivitäten fordern beim Naturfest im Boberger Dünenhaus jeden der fünf Sinne heraus Foto MEV
Zusammen mit dem Boberger Dünenhaus lädt der Verein Leben mit Behinderung am 6. September zu einem inklusiven „Naturfest mit allen Sinnen“ im Boberger Dünenhaus (Boberger Furt 50) ein. Dort wird es viel zu ertasten und zu erspüren geben. Für Würstchen, Kaffee, Kuchen und leckere Smoothies ist gesorgt.

Los geht es um 14 Uhr, der Eintritt ist frei.

Spieleerfinder-Wettbewerb in Sachen Inklusion

Das Spielwerk Hamburg veranstaltet in Kooperation mit dem Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg (BSVH) einen besonderen Spieleerfinder-Wettbewerb. Die Aufgabe besteht darin, ein inklusives Gesellschaftsspiel zu entwickeln, das Menschen mit und ohne Seheinschränkung gemeinsam spielen können. Noch bis 31. Januar 2020 können Spielideen eingereicht werden. Das Gewinnerspiel wird im kommenden Frühjahr bei der Preisverleihung in Hamburg präsentiert und soll anschließend produziert werden.

Infos: www.spielwerkhamburg.de

Blickwinkel Kongress

Vom 6. bis zum 8. September findet an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) der Blickwinkel-Kongress für und vor allem mit Menschen mit geistiger Behinderung statt. Er bietet Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Dazu gibt es Vorträge, Sportangebote zum Ausprobieren und Musik. Veranstalter sind Blickwinkel, ein Projekt im Verbund der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, und Special Olympics Deutschland. Um Anmeldung wird gebeten.

Infos: www.blickwinkel-alsterdorf.de
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