Nervige Staus lassen sich vermeiden
Auf Hamburgs Straßen wird es immer enger: Privatautos und Paketfahrzeuge, Fahrräder, E-Scooter, Roller von Lebensmittel- und Essenslieferdiensten. Laut verschiedener Studien ist Hamburg Deutschlands Stau-Hauptstadt. In der abendlichen Rushhour benötigt man demnach für eine Fahrt, die ohne Verkehrsbehinderungen 30 Minuten dauert, im Schnitt 48 Minuten. Das muss nicht so bleiben. Digitalisierte Verkehrsleitsysteme und „intelligente“ Ampeln können den Verkehr sicherer und schneller machen - und Staus verhindern.
Die Zukunft hat schon begonnen. Es gibt in Hamburg bereits erste smarte Ampeln, die dem Verkehrsaufkommen entsprechend auf Grün oder Rot schalten. „Wir werden spätestens 2024 multimodale Grüne Wellen schaffen“, verspricht Sebastian Troch, Referatsleiter ITS & Datenmanagement in der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. Dann sollen zum Beispiel Autos und Fahrräder gezählt werden, und das Verkehrsmittel, das den größeren Anteil hat, bekommt die Grüne Welle. So könne man sicherstellen, dass auch in Stoßzeiten „der Verkehrsfluss gewährleistet wird“. In Hamburg fließen rund 70 Prozent des täglichen Verkehrs über 550 Kilometer Hauptverkehrswege des insgesamt 4.000 Kilometer umfassenden Straßennetzes.
Die App zeigt an wann es Grün wird
Damit nicht genug. Autofahrer werden zukünftig auf ihrem Smartphone oder im Cockpit ihres Fahrzeugs sehen können, wann die Ampel, die sich vor ihnen befindet, auf Grün springt. Das Projekt „Traffic Light Forecast“ stellt heute bereits Daten ausgewählter Ampeln für solche Anwendungen bereit. Genutzt werden sie schon in der Audi-Navigationssoftware. Hier werden die Informationen zudem mit der Start-Stopp-Automatik verknüpft. Florian Weichenmeier, Verkehrsexperte von Kapsch TrafficCom: „Mit solchen Systemen müssen Sie, wenn Sie den Geschwindigkeitsempfehlungen folgen, an vielen Ampeln nicht mehr anhalten.“ Wirksam würden die Systeme, wenn zehn bis 15 Prozent aller Verkehrsteilnehmer die Apps oder Services nutzen. Bemerkenswert ist auch, dass die Nutzer des Systems entspannter am Verkehr teilnehmen, wie über Pulsmessungen festgestellt wurde.
Die Vision: Mit Sensoren ausgestattete Autos werden zu rollenden Messgeräten, die ähnlich wie Wärmebildkameras und Induktionsschleifen Daten über die Verkehrslage liefern. Durch die Vernetzung der Fahrzeuge und der Infrastruktur wird es möglich, die Autos so auf Hamburgs Straßen zu verteilen, dass es weniger Staus gibt. Der Mittelweg in Harvestehude ist verstopft? Dann empfi ehlt das Navi dem Fahrer durch die Parallelstraße Heimhuder Weg zu nutzen.
25 Prozent weniger Emissionen
Lernen kann Hamburg etwa von Wien. In der österreichischen Hauptstadt ist ein Ampel-App-System installiert, dass Auto- und Fahrradfahrern gleichzeitig zugutekommt. Die ersten Erfahrungen: Man fährt mit der App deutlich fl üssiger. Weichenmeier: „Beim Fahren im Stadtverkehr werden durch selteneres Bremsen und Beschleunigen bis zu 15 Prozent Kraftsto› und Emissionen gespart. Verknüpft mit einer intelligenten Navigation lassen sich vermutlich sogar bis zu 25 Prozent der Emissionen im Straßenverkehr einsparen.“
Laut einer Studie der Zeitschrift „Environmental Research Letters“ könnten fast 40 Prozent der Klimaschäden des Verkehrs vermieden werden, wenn man digitale Verkehrslenkungen mit „Mobilitätsbepreisung“ (Maut) kombinieren würde. Der Hintergrund: Wenn durch intelligente Verkehrslenkung Staus zurückgehen, wird Autofahren wieder attraktiver. „Nach kurzer Zeit kämen die Staus zurück“, so Weichenmeier. Aber schon mit einer Straßennutzungsgebühr von weit unter zehn Euro am Tag ließe sich das Verkehrsaufkommen „dauerhaft“ reduzieren. jh