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Themenwelten Hamburg
Wer in Zeiten wie diesen radikale Veränderung erlebt, benötigt einen moralischen Kompass

Wirtschaftsgipfel EuroMinds in Hamburg: „Ohne Werte keine Haltung“

Auch der Krieg in der Ukraine war ein Thema. Sören Bauer (v. l.) mit Christoph Daum, Reiner Calmund, Iryna Tybinka, Oleksandr Katsyuba und Bettina Cramer sowie einem Bild, das zugunsten des Hilfsstabs versteigert wird. Offenblende / EuroMinds

„Das Thema ,Nachhaltigkeit‘ zieht sich durch alle Segmente. Es ist ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft geworden – und das gilt eben auch für die Unternehmen“, sagt Marc Zinkel. Der Geschäftsführer und Gründer der Beratungsfirma Beceptum sprach auf dem Wirtschaftsgipfel EuroMinds zum Thema „Haltung, Werte und Verantwortung von Unternehmen“. Zinkel: „Ohne Werte keine glaubwürdige Haltung.“ Doch der Grat, auf dem sich Unternehmen dabei bewegen, ist schmal: „Noch vor einem Jahr waren Atomkraft, Kohle und Rüstungsindustrie böse“, erinnert der Consultant. Die Rüstungsindustrie stehe seit dem Krieg in der Ukraine wieder in einem anderen Licht. Und die Atomkraft könnte wie Gas künftig als grünes Investment gelten – vorausgesetzt, die entsprechende EU-Taxonomie wird vom Europaparlament nicht abgelehnt.

„Die Auswirkungen des Klimawandels werden uns in Deutschland brutal einholen“, sagt Bernhard Fauser, Managing Director bei HP Central Europe. Der Techkonzern hat deshalb das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft fest im Blick. „Hier setzt unsere Unternehmenskultur an. Wir beziehen Mitarbeiter in nachhaltige Aktionen ein.“ Schwierig sei es allerdings, gelebte Werte online mit neuen Angestellten zu teilen. Eine Erfahrung, die viele Unternehmen in der Corona-Krise gemacht haben.Die Pandemie hat auch familiengeführten Traditionsunternehmen gezeigt, dass sie ihre Werte regelmäßig auf den Prüfstand stellen sollten. Homeoffice verändertdas Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter – flexibles Arbeiten bringt Chancen, aber auch Risiken im Bereich der mentalen Gesundheit. Da sind Unternehmen in besonderer Verantwortung für ihre Mitarbeiter, bestätigt Ulrike Bank, Leiterin Corporate Communications Affairs bei Wall, einer Tochter der im Bereich der Außenwerbung weltweit führenden JCDecaux-Gruppe. Auch auf Arbeitnehmerseite muss der Wertekompass stimmen: „Wenn irgendwo ein Papier auf dem Boden liegt, hebt unser Mitarbeiter es auf“, sagt Dr. Peter Robejsek, Country Manager for Mastercard Germany.

Haltung, Verantwortung, Werte: Es sind große Themen ohne einfache Antworten. Für Professor Tobias Wollermann, den musikaffinen Group Vice President Corporate Responsibility der Otto Group Holding wären sie eine Sinfonie. „Eine, die mal Tempo hat und mal nachdenklich stimmt. Auch in einem Unternehmen müssen viele verschiedene Klangfarben berücksichtigt werden.“


Im Blickpunkt: Die Zukunft der Medizin

Wie viel Hightech ist eigentlich noch gesund – und bezahlbar?

Digitale Arzthelfer, künstliche Intelligenz (KI) in der Diagnostik, Gebärmütter aus dem 3-D-Drucker: Im EuroMinds-Panel „Medizin der Zukunft“ diskutierten Ärzte und Medizinerinnen über die Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen, innovativeVerfahren,neueTherapieansätze – und die Frage, wie viel Hightech noch gesund ist.

Was selbst für Experten vor wenigen Jahren noch undenkbar erschien, ist in Arztpraxen, Krankenhäusern oder Labors inzwischen gelebte Praxis. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Einsatz algorithmusbasierter Systeme. „Diagnostik ohne KI ist eigentlich ein Kunstfehler“, sagt Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Zu groß sei die Geschwindigkeit, mit der neue medizinische Erkenntnisse gewonnen würden, zu umfassend schon heute die Datenlage über den einzelnen Patienten. Dabei müssen neue Behandlungsmethoden für alle zugänglich bleiben. „Sonst driftet die Gesellschaft auseinander“, mahnt der Chef Deutschlands größter Krankenkasse. Robotik und Digitalisierung seien Instrumente für den Arzt – kein Ersatz, so Baas.

Dass das Menschliche auch so auf der Strecke bleiben kann, weiß Carsten Witte. Der Psychoonkologe hatte selbst Knochenkrebs, die Mitteilung war traumatisch. „Der Arzt war wie eine Maschine. Er knallte mir die Diagnose hin und ging“, erinnerte sich Witte. „Ärztinnen und Ärzte müssen lernen, dass da keine Erkrankung vor ihnen steht, sondern ein Mensch.“ Mit seinem Verein „Jung und Krebs“ setzt er sich für die Bedürfnisse junger Erwachsener mit und nach Krebs ein. „Im Studium sollte eine Kommunikationskompetenz institutionalisiert werden.“
 

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