Bergedorf. Das Jahr 1919 war ein Jahr des Umbruchs. Der Erste Weltkrieg war erst wenige Monate beendet, das Deutsche Reich stand vor der gewaltigen Aufgabe, sich politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich neu zu formieren. Nach der Novemberrevolution von 1918 hatte das Kaiserreich abgedankt und die Republik war aus gerufen worden. Am 19. Januar 1919 wählten die Deutschen – erstmals auch Frauen–die verfassungsgebende Nationalversammlung. Im Juli 1919 nahm sie die Weimarer Verfassung mit überwältigen der Mehrheit an. Deutschland war nun eine demokratische Republik, an deren Spitze Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) stand.
Stabil war die Demokratie noch lange nicht. In den Großstädten und im Ruhrgebiet versuchten linke Aufständische, die parlamentarische Demokratie durch ein Rätesystem abzulösen. In blutigen Straßenkämpfen gingen Regierungstruppen gegen die Putschversuche vor. Auch von rechts wurden zunehmend Unruhen geschürt. In Hamburg wurde 1919 immer wieder der Belagerungszustand ausgerufen.
Und in Bergedorf? Der Ort war zu jener Zeit längst kein kleines Ackerbürgerstädtchen mehr, sondern eine selbstständige Stadt im Hamburger Staat mit zahlreichen großen Industriebetrieben. Das angespannte politische Klima der Zeit war auch hier zu spüren. Die Bevölkerung litt unter der Rationierung und Verteilung von Lebensmitteln und Ressourcen wie etwa Kohle durch das Kriegsversorgungsamt. Selbst bei winterlichen Temperaturen wurden die Bergedorfer aufgerufen zu sparen, indem zu festgelegten Stunden nicht geheizt werden durfte. Immer wieder kam der Bahnverkehr wegen der Kohlen not zum Erliegen, war Bergedorf gänzlich isoliert. Neben der Versorgungslage waren Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit große Probleme, um die sich die Bergedorfer Bürgervertretung kümmern musste.
Stabil war die Demokratie noch lange nicht. In den Großstädten und im Ruhrgebiet versuchten linke Aufständische, die parlamentarische Demokratie durch ein Rätesystem abzulösen. In blutigen Straßenkämpfen gingen Regierungstruppen gegen die Putschversuche vor. Auch von rechts wurden zunehmend Unruhen geschürt. In Hamburg wurde 1919 immer wieder der Belagerungszustand ausgerufen.
Und in Bergedorf? Der Ort war zu jener Zeit längst kein kleines Ackerbürgerstädtchen mehr, sondern eine selbstständige Stadt im Hamburger Staat mit zahlreichen großen Industriebetrieben. Das angespannte politische Klima der Zeit war auch hier zu spüren. Die Bevölkerung litt unter der Rationierung und Verteilung von Lebensmitteln und Ressourcen wie etwa Kohle durch das Kriegsversorgungsamt. Selbst bei winterlichen Temperaturen wurden die Bergedorfer aufgerufen zu sparen, indem zu festgelegten Stunden nicht geheizt werden durfte. Immer wieder kam der Bahnverkehr wegen der Kohlen not zum Erliegen, war Bergedorf gänzlich isoliert. Neben der Versorgungslage waren Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit große Probleme, um die sich die Bergedorfer Bürgervertretung kümmern musste.
Regiert wurde die Stadt von Bürgermeister Paul Walli (DDP), der im Juni 1919 von dem Sozialdemokraten Wilhelm Wiesner ab gelöst wurde. Die Bergedorfer Arbeiter der verschiedenen Betriebe und Fabriken organisierten sich aktiv in Gewerkschaften, um ihre Interessen besser vertreten zu können. Die gestiegenen Mieten, Lebensmittel und Rohstoffpreise erforderten eine Anpassung des Verdienstes. Aus diesem Grund waren vor allem die Höhe des Lohns und die Länge der Arbeitszeit hart umkämpfte Themen zwischen den Arbeitern und Unternehmen. Immer wieder kam es zu großen Streikbewegungen, bei denen die Bergedorfer Arbeiterschaft auch auf die Straße zog, um zum Beispiel gegen die Wiedereinführung der Akkordarbeit zu protestieren.
„Der Zweck der Wirtschaftlichen Vereinigung ist die Wahrung der Interessen der Industrie, des Großhandels und des Verkehrs.“
Aus der Vereinssatzung 1919
Aus der Vereinssatzung 1919
Eine Interessenvertretung der Unternehmer gab es noch nicht. Daher fand sich am 12. März 1919 in der Gastwirtschaft „Deutsche Schänke“am Kaiser-Wilhelm-Platz eine Gruppe von Bergedorfer Industriellen zusammen, um einen Verein ins Leben zu rufen. „Aus dem Zwange der Zeit und aus der Erkenntnis der Notwendigkeit einheitlichen Handelns“, wie es hieß, entstand die „Wirtschaftliche Vereinigung zur Förderung von Industrie, Großhandel und Verkehr in Bergedorf und Umgegend e. V.“.
Führende Köpfe der Wirtschaftlichen Vereinigung (WV) bildeten den ersten Vereinsvorstand: Albert Dietrichs (Glasfabrik Hein & Dietrichs), Hermann Niss (Metallwarenfabrik Meyer & Niss) und Ernst Boye (Sirupfabrik Milde & Hell). Hermann Niss übernahm in den ersten Jahren auch die Geschäftsführung. Daher ist als erste Adresse der WV die Kampchaussee 73 genannt, der Firmensitz von Meyer & Niss.
Ein Großteil der Vereinsmitglieder war politisch in der Deutschen Volkspartei (DVP) organisiert, die im Bergedorfer Villengebiet sehr stark vertreten war. In der Bergedorfer Zeitung von 1919 wird dieses politische Engagement besonders deutlich, als sich die WV in zwei Fällen direkt an die damalige Reichsregierung wandte. In einer ersten Eingabe plädierte sie gegen die Einführung der Planwirtschaft, weil sie darin den Untergang der Wirtschaft und des Unternehmergeistes sah. In einem zweiten Schreiben sprach sich die WV gegen das damals geplante Betriebsrätegesetz aus. Darin sollte die Einsetzung von Betriebsräten geregelt und ihnen Mitbestimmung, Einsicht in Jahresabschlüsse und Bilanzen sowie das Recht auf Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zugestanden werden. Die Bergedorfer Industriellen waren empört: „Es ist widersinnig, den Arbeitern einen Einfluß auf die Führung eines Betriebes zu geben, aus dem sie jederzeit ausscheiden können, während für dessen Entwicklung der Unternehmer die alleinige Verantwortung trägt. […] Das beabsichtigte Gesetz bedeutet den Anfang des Rätesystems, das andere Länder bereits an den Rand des völligen Unterganges gebracht hat und das nach unserer Auffassung auch die deutsche Industrie zum Ruin führen würde.“
Das Betriebsrätegesetz trat Anfang 1920 dennoch in Kraft – eine Errungenschaft der damaligen Zeit, die bis in die Gegenwart hineinwirkt. Auf lokaler Ebene verhandelte die WV in ihrem Gründungsjahr besonders in Lohn- und Tariffragen zwischen ihren Mitgliedsbetrieben und -unternehmen, den Gewerkschaften und teilweise auch behördlichen Instanzen. Eine bedeutende Verhandlung im Jahre 1919 war die Lohnverhandlung der Metall- und Eisenindustrie, die zunächst in Hamburg geführt wurde und sich nach Bergedorf weiter trug. Hier bewirkte die WV die Anerkennung der hamburgischen Lösung auch für Bergedorf, indem ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt wurde, die Akkordarbeit wiedereingeführt und die Arbeitnehmer eine kleine Lohnnachzahlung zu Weihnachten erhielten.
In einem Rückblick zum zehnjährigen Jubiläum resümierte die WV, dass die „Gründungs- und Kampfzeiten“ nun überwunden seien, auch wenn die Arbeiterschaft weiterhin „übertriebene Lohnerhöhungen“ einfordern würde. Die politischen Wirren infolge der Novemberrevolution und die Hyperinflation von 1923 waren überstanden. Doch nach wenigen Jahren der Erholung sorgte der New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 für eine weltweite Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit stieg enorm an und die instabile Weimarer Republik begann zu zerbrechen. Die Machtübernahme der NSDAP vier Jahre später war auch für die WV eine weitere Zäsur.
Ein Großteil der Vereinsmitglieder war politisch in der Deutschen Volkspartei (DVP) organisiert, die im Bergedorfer Villengebiet sehr stark vertreten war. In der Bergedorfer Zeitung von 1919 wird dieses politische Engagement besonders deutlich, als sich die WV in zwei Fällen direkt an die damalige Reichsregierung wandte. In einer ersten Eingabe plädierte sie gegen die Einführung der Planwirtschaft, weil sie darin den Untergang der Wirtschaft und des Unternehmergeistes sah. In einem zweiten Schreiben sprach sich die WV gegen das damals geplante Betriebsrätegesetz aus. Darin sollte die Einsetzung von Betriebsräten geregelt und ihnen Mitbestimmung, Einsicht in Jahresabschlüsse und Bilanzen sowie das Recht auf Mitgliedschaft im Aufsichtsrat zugestanden werden. Die Bergedorfer Industriellen waren empört: „Es ist widersinnig, den Arbeitern einen Einfluß auf die Führung eines Betriebes zu geben, aus dem sie jederzeit ausscheiden können, während für dessen Entwicklung der Unternehmer die alleinige Verantwortung trägt. […] Das beabsichtigte Gesetz bedeutet den Anfang des Rätesystems, das andere Länder bereits an den Rand des völligen Unterganges gebracht hat und das nach unserer Auffassung auch die deutsche Industrie zum Ruin führen würde.“
Das Betriebsrätegesetz trat Anfang 1920 dennoch in Kraft – eine Errungenschaft der damaligen Zeit, die bis in die Gegenwart hineinwirkt. Auf lokaler Ebene verhandelte die WV in ihrem Gründungsjahr besonders in Lohn- und Tariffragen zwischen ihren Mitgliedsbetrieben und -unternehmen, den Gewerkschaften und teilweise auch behördlichen Instanzen. Eine bedeutende Verhandlung im Jahre 1919 war die Lohnverhandlung der Metall- und Eisenindustrie, die zunächst in Hamburg geführt wurde und sich nach Bergedorf weiter trug. Hier bewirkte die WV die Anerkennung der hamburgischen Lösung auch für Bergedorf, indem ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt wurde, die Akkordarbeit wiedereingeführt und die Arbeitnehmer eine kleine Lohnnachzahlung zu Weihnachten erhielten.
In einem Rückblick zum zehnjährigen Jubiläum resümierte die WV, dass die „Gründungs- und Kampfzeiten“ nun überwunden seien, auch wenn die Arbeiterschaft weiterhin „übertriebene Lohnerhöhungen“ einfordern würde. Die politischen Wirren infolge der Novemberrevolution und die Hyperinflation von 1923 waren überstanden. Doch nach wenigen Jahren der Erholung sorgte der New Yorker Börsencrash im Oktober 1929 für eine weltweite Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit stieg enorm an und die instabile Weimarer Republik begann zu zerbrechen. Die Machtübernahme der NSDAP vier Jahre später war auch für die WV eine weitere Zäsur.