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Roger Federer

Das gekaufte Erfolgsgeheimnis des Schweizer Seniors

Roger Federer, immer den ganz großen Ball im Hinterkopf. Foto: Jürgen Hasenkopf
Roger Federer, immer den ganz großen Ball im Hinterkopf. Foto: Jürgen Hasenkopf
Die Katze ist aus dem Sack. Warum ist Roger Federer mit seinen beinahe 39 Jahren immer noch ganz weit vorn mit dabei? Die Antwort: er weiß vorher, wohin der Gegner den nächsten Ball schlagen wird. Das macht es natürlich sehr viel einfacher, und der Schweizer wird noch einige Jahre erfolgreich vor seinen jungen Konkurrenten dabei sein. Nur, warum weiß er in welche Ecke er sich zu bewegen hat, bevor der Gegner überhaupt geschlagen hat? Ist es seine 39-jährige Erfahrung, Intuition oder einfach immer nur Glück? Wie beim Roulette z. B.: Wenn es die Zero nicht geben würde, hätte man nur Rot und Schwarz und jeweils eine 50-prozentige Chance auf Erfolg oder das Geld ist weg bzw. der Ballwechsel ist verloren. Im Ernst aber jetzt, die Antwort lautet: Analytics im Tennis.

Daten nehmen Einfluss auf die Matchvorbereitung. In Zeiten der detaillierten Datenerfassung von Tennismatches nehmen diese Statistiken eine immer größere Rolle im Profi tennis ein. Der Technologiekonzern SAP bietet Profi s auf der WTA-Tour einen Service, der gesammelte Daten von Spielerinnen als Tendenzen ausspuckt, wie sie sich in verschiedensten Situationen am ehesten verhalten würden. Dabei seien vor allem die kurzen Ballwechsel ein Faktor, bei dem man schnell ansetzen kann. Aber nicht nur SAP ist mit im Boot. Für die Topspieler entwickeln zwei mehr oder weniger „Privatpersonen“ ganz spezielle Auswertungen von Matches, die finanziell gut bestückte Spieler in Auftrag geben.
  
Roger Federer aber auch Novak Djokovic oder der Italiener Mario Berrettini nutzen diese Analytics bei ihren Vorbereitungen auf das nächste Match, bei den Damen werden sogar Tablets bei On-Court-Coachings verwendet. Dagegen ist Rafael Nadal Traditionalist, er vertraut auf die Erfahrung seines Coaches Carlos Moya, der, laut Nadal, alles, was in seinen Matches gegen welchen Gegner auch immer passiert ist, in seinem Kopf abgespeichert hat und keinen Computer für diese neue Art von Analytics benötigt. Wenn das man stimmt.
  
Wim Fisette, Ex-Coach von Angelique Kerber und Sabine Lisicki (Foto), schwört auf Analytics im Trainergeschäft. Foto: Jürgen Hasenkopf 
Wim Fisette, Ex-Coach von Angelique Kerber und Sabine Lisicki (Foto), schwört auf Analytics im Trainergeschäft. Foto: Jürgen Hasenkopf 
Ist Federer nun ein Fall für den Tennis Staatsanwalt? Ist das, was Federer betreibt, Wettbewerbsverzerrung bzw. hat er obendrein ein Monopol auf die Gedanken seiner Gegner?

Der Schweizer bezahlt Berichten zufolge siebenstellige Summen, um noch exklusivere Einblicke in Statistiken und Daten zu bekommen. Dabei kauft er sich nicht nur die Expertise ein, sondern sorgt zudem dafür, dass diese Einblicke der direkten Konkurrenz verwehrt bleiben. Was noch vernünftig klingt, da, wer bezahlt, der bestimmt.

Kritiker von Analytics im Tennissport führen an, dass nur wenige absolute Top-Verdiener den Luxus haben, sich für teures Geld Daten einzukaufen.

Wim Fissette, Angelique Kerbers Coach bei deren Wimbledon Erfolg in 2018, erklärte dem WTA Insider: „Jede Spielerin oder Spieler folgt gewissen Mustern. Sie helfen dir, in stressigen Situationen Ruhe zu bewahren. Die taktische Ausrichtung entscheidet sich in den ersten vier Schlägen, die du dir schon vor dem Ballwechsel zurechtlegst. Den Aufschlag versuchst du, so zu spielen, dass du genau jene Vor- oder Rückhand anhängst, mit der du dich wohlfühlst. Ähnlich verhält es sich beim Return. Ab dem fünften Schlag in einem Ballwechsel beginnt eine neue Ebene, bei der es darum geht, einen Gewinnschlag über Winkelspiel und eine geschickte Platzierung des Balles vorzubereiten. Ab neun Schlägen kommt die Physis ins Spiel. Die fittere Spielerin wird den Ballwechsel gewinnen.“

Mit diesen Hintergedanken lässt sich das Abschlusstraining vor einem Match maßschneidern, wie das vor der Zeit von datengetriebenen Hinweisen nicht der Fall war. Diese Software steht allen Spielern/innen/Coaches zur Verfügung. Will man mehr Analytics, gibt es die für Geld.

Wohin schlägt dein Gegner bei 40:30 und 5:4 im ersten Satz auf Rasen, wenn er den Ball auf seine Vorhandseite serviert bekommt und der Aufschläger hinten bleibt. Wohin spielt er ihn bei 30:40 und 4:5 im zweiten Satz auf Hardcourt, wenn der Gegner Serve & Volley spielt und welcher Schlag, Vorhand oder Rückhand, hat auf Sand die höhere Fehlerquote beim Matchball des Gegners? Neben der Analyse von Rallys bietet die Software z. B. ein Feature, mit dem der Ballwurf unter die Lupe genommen wird. So können Spielerinnen die Richtung oder Art eines Aufschlags Bruchteile von Sekunden früher erkennen und sich dementsprechend früher auf ihren Return vorbereiten.

Andre Agassi, mit der beste Return-Spieler aller Zeiten, wurde mal gefragt, wie er es schaffe, die Gewaltaufschläge von Boris Becker zu entschärfen. Agassi: „Das ist doch nicht so schwer. Jedes Mal, wenn Boris seine Zunge vor dem Aufschlag in seiner Konzentrationsphase nach links rausstreckte, schlug er auf meine Vorhand auf. Wenn er sie nach rechts rausstreckte, schlug er auf meine Rückhand auf. Ich habe dies schnell erkannt und umgesetzt.“ Nannte man das nicht noch vor kurzem, die Antizipation ist überragend, oder: diese Intuition hat nicht jeder? Die Antwort von Agassi war natürlich mehr eine Veräppelung des die Frage gestellten Journalisten, aber immerhin. Boris hatte in der Tat teilweise diese Angewohnheit mit seiner Zunge vor dem Aufschlag zu spielen. Viele Spieler haben ähnliche Angewohnheiten, aus denen der Gegner etwas mitnehmen könnte.

Das Geheimnis von Roger Federers Erfolgsgeschichte ist also gelöst und für alle Federer Fans frustrierend. Im Grunde kann er gar kein Tennis spielen. Es geht wie überall nur ums Geld. Oder spielte Federer in den vergangenen 16 Jahren etwa auch mal Bälle über das Netz, ohne dass er am Abend vorher bereits das komplette Match im Hinter-Vorderkopf hatte? Ohne Analytics hätte er nie 20 Grand Slams geschafft und Rafael Nadal wäre mit seinen bisher 19 Grand Slam Siegen mit Abstand der Meister aller Zeiten.

Ganz lapidar gesagt, bedeutet dies alles: Du musst versuchen, deinem Gegner den Zahn zu ziehen. Wenn der immer verzweifelter wird, weil er nicht weiß, was er denn jetzt wieder nicht „richtig“ gemacht hat und warum sein Gegner immer in der richtigen Ecke steht, ist es um ihn geschehen. Ist das aber erst in Zeiten der Tennis Analytics zur großen Erkenntnis geworden?

Hier kommt doch eher die über hundertjährige einfache Tennisweisheit zum Tragen: Wer läuft, steht falsch!

Bitte außer dem letzten Satz nicht alles zu ernst nehmen.
 
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