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Tennis in Hamburg

Davis „Gerard Pique“ Cup Finale 2019

Ein Heimspiel, 17 Auswärtsspiele und ein Nadal ohne Konkurrenz

David Haggerty, umstrittener Präsident der ITF. Foto: Jürgen Hasenkopf
David Haggerty, umstrittener Präsident der ITF. Foto: Jürgen Hasenkopf
Seit den ersten Plänen der ITF bzw. ihres Präsidenten David Haggerty zur Umstrukturierung des traditionellen Ablaufs des Davis Cups Anfang 2018 ist die Tenniswelt, vor allem der Tennisfans, gespalten.

So auch ausgewiesene Experten, frühere Davis Cup Sieger, aktuelle TOP 10 Spieler, Journalisten und wer sonst noch seine Meinung dazu kundtat und -tut, können sich über den neuen Modus nicht einigen.

Eine Meinung, die im Tennis Gewicht hat, kommt von Ion Tiriac, Ex-Manager von Boris Becker und Veranstalter von vielen DTB Davis Cup Matchen in den 90er Jahren.

Tiriac: „Ich gebe nicht der ITF die Schuld – ich nenne das, was die ITF gemacht hat, Majestätsbeleidigung. Sie sollten dafür lebenslänglich verurteilt werden. Was sie mit dem Davis Cup und dem Fed Cup veranstalten, kann man nicht mit ansehen. Sie ruinieren 120 Jahre Tradition. Nur für Geld. Was hat das mit Sport zu tun? Es ist das Lächerlichste, das ich je erlebt habe. Diese Leute sind krank im Kopf. Die haben noch nie einen Tennisball geschlagen. Was macht die ITF? Sie verspricht nationalen Verbänden Geld, damit sie für ihre Reform stimmen. Sie verteilt hunderttausend Dollar hier, hunderttausend Dollar da. Aber es ist nicht transparent. Man sollte uns wissen lassen, wer wie abgestimmt hat.“ Es sieht so aus, dass der ITF Präsident, David Haggerty, und der Veranstalter des Ganzen, Gerard Pique, Fußballstar des FC Barcelona, mit seiner Kosmos Group keine Freunde mehr werden mit Ion Tiriac.
  
Boris Becker, Tiriacs Schützling in den 80er und 90er Jahren, konnte sich das neue Format anfangs auch nicht vorstellen. Je näher der Termin rückte, umso diplomatischer wurde er aber. Becker: „Man sollte etwas Neues nicht gleich vorverurteilen. Lasst uns sehen, was passiert, dann können wir darüber reden.“ Nach der Davis Cup Woche äußerte er sich eher skeptisch: „Die Veranstaltung ist nicht fair gegenüber den 17 Teams, die mit Spanien um den Titel spielen. Das neue System ist zwar eine gute Alternative, aber der Zeitablauf während der Woche und das Datum überhaupt muss geändert werden.“
 
Ion Tiriac: „Sie sollten dafür lebenslänglich verurteilt werden. Sie ruinieren 120 Jahre Tradition. Es ist das Lächerlichste, das ich je gesehen habe. Diese Leute sind krank im Kopf.“ Foto: Jürgen Hasenkopf
Ion Tiriac: „Sie sollten dafür lebenslänglich verurteilt werden. Sie ruinieren 120 Jahre Tradition. Es ist das Lächerlichste, das ich je gesehen habe. Diese Leute sind krank im Kopf.“ 
Foto: Jürgen Hasenkopf
Statt wie in den bisherigen 119 Jahren mit Heim- bzw. Auswärtsspielen und begeisternden 5-Satz Matchen spielte sich das Ganze nun innerhalb einer Woche ab. 16 Nationen, die sich im Frühjahr noch in der alten Form mit vier Einzeln und einem Doppel – allerdings bereits mit Best of Three – qualifiziert hatten, und zwei Wildcards für Argentinien und England versuchten in Madrid, den Davis Cup Sieger 2019 zu ermitteln. Gespielt wurden zwei Einzel und ein Doppel in Best of Three in sechs Gruppen. Die Sieger jeder Gruppe plus zwei punktbeste Zweite spielten dann weiter ab dem Viertelfinale im K.O. Rhythmus bis ins Finale.

Warum Deutschland den Davis Cup nicht gewann, ist für die Bild Zeitung von Anfang an klar gewesen. Alexander Zverev ist der einzig Schuldige. Er ließ Deutschlands Team im Stich – mal wieder – und spielte, statt sich wenigstens Urlaub und Regeneration zu gönnen, was man hätte evtl. verstehen können, fünf Schaukämpfe mit Roger Federer in Südamerika.
 
Ist Alexander Zverev der große Sündenbock, der das deutsche Team im Stich ließ? Foto: Jürgen Hasenkopf
Ist Alexander Zverev der große Sündenbock, der das deutsche Team im Stich ließ? Foto: Jürgen Hasenkopf
Weiter schreibt die Bild: Andere TOP 10 Spieler wie Rafael Nadal, Novak Djokovic, Gael Monfils oder auch Nick Kyrgios, letztere beide gehören nicht zu den TOP 10, waren sich dagegen nicht zu schade, für ihr Land ohne Preisgeld und Weltranglistenpunkte anzutreten.

Da müsste auch der Tennislaie aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen sein. Nadal, Djokovic und Co spielen ohne Preisgeld? Nun ja.

Es wird kolportiert, dass Nadal und Djokovic mit den höchsten Antrittsprämien, die je zuvor ausgelobt worden waren, nach Madrid gelockt wurden. Insofern hat die Bild recht, denn Antrittsprämien sind keine Preisgelder.

Man kann zu Alexander Zverev stehen wie man will, die Meinungen, ob man ihn sympathisch oder rotzfrech findet, halten sich in etwa die Waage. Nur sollte man nicht vergessen, dass er im Frühjahr als einer der ersten seine Ansicht über den „neuen“ Davis Cup kundtat und gleichzeitig seine Nichtteilnahme erklärte. Und seine Ansicht über das, was in Madrid ablief, teilen nun mal viele, die im Welttennis etwas von sich geben dürfen.

Wobei nebenbei, es gab Preisgelder oder wie man die Gelder immer nennen will, die im wahrsten Sinne des Wortes ausgeschüttet wurden. Neben den besagten Antrittsprämien für viele Topspieler wurden ebenso den Verbänden Antrittsprämien bezahlt. Die wurden aus dem Topf der drei Milliarden Euro beglichen, die die Kosmos Group unter Führung ihres Sprechers, dem Star des FC Barcelona und Lebensgefährten der Sängerin Shakira, Gerard Pique, der ITF für die kommenden 25 Jahre garantiert. Pique versprach vollmundig: „Wir werden den Davis Cup auf ein neues Niveau heben.“

Woher das viele Geld kommen soll, ist vor allem Ion Tiriac, erwiesenermaßen der Finanzexperte unter allen, die etwas mit Tennis zu tun haben, unklar. Tiriac: „Keine Firma der Welt wird drei Milliarden Dollar für ein Event zahlen, dass sich nach zwei Veranstaltungen in Luft auflösen wird.“
 
Gegen Rafael Nadal ist im Davis Cup für alle anderen nichts zu holen. Die Nr. 1 des Jahres 2019 gewann alle seine Matche. Foto: Jürgen Hasenkopf
Gegen Rafael Nadal ist im Davis Cup für alle anderen nichts zu holen. Die Nr. 1 des Jahres 2019 gewann alle seine Matche. Foto: Jürgen Hasenkopf
Gegen Tiriacs Kritik versuchten die Veranstalter mit einem großen Zuschaueraufkommen zu kontern, das auch Laien in Verwunderung versetzte. Ab Mittwoch der Turnierwoche, also an dem Tag, an dem Spanien ins Geschehen eingriff, sollen jeweils über 18.000 begeisterte Zuschauer in den drei Hallen gewesen sein. Das ist bereits rein rechnerisch nicht möglich, da der größte Court zwar rund 12.000 Zuschauer fasst, Court 2 knappe 2.500 und Court 3 ca. 1.500. Macht zusammen 16.000 Fans.

Wilhelm Holz, deutscher Senioren-Turnierveranstalter, war vor Ort und berichtete beinahe täglich über Facebook von seinen Eindrücken: „Ich hatte das Glück, direkt hinter der deutschen Bank zu sitzen und somit hautnah am Geschehen zu sein. Es war ein unvergessliches Erlebnis in einer manchmal aufgeheizten Stimmung. Leider waren die ca. 50-60 Deutschen Fans in allen Partien gegen ca. 400 Argentinier sowie jeweils gut 200 Chilenen und Briten quantitativ hoffnungslos unterlegen. Madrid ist aber eine sehenswerte Stadt.“ Nach allzu vielen Fans sieht das nicht aus, hoffentlich sind in den 60 deutschen Fans nicht die Hälfte der Betreuer des DTB Teams mit eingerechnet. Davis Cup Stimmung war mal anders, außer bei den Spielen der Spanier. Daher alles zusammengefasst: Fünf ausverkaufte Davis Cup Heimspiele für Spanien und sonst nur Auswärtsspiele, die eher daherkamen wie früher der Nations Cup in Düsseldorf. Nur dass dort mehr Zuschauer vor Ort waren.
 
Deutschland gewann seine Gruppe mit einem nicht erwarteten 3:0 gegen Argentinien, bei dem Jan-Lennard Struff die Vorentscheidung durch seinen Sieg gegen Diego Schwartzmann klar machte. Kevin Krawitz und Andi Mies, die French Open Sieger, führten sich als Davis Cup Debütanten mit einem Erfolg über Leonardo Mayer und Maximo Gonzales gut ein. Dabei holten sie sich den Tie Break des dritten Satzes mit dem Rekordergebnis von 20:18. Das Viertelfinale verlor das DTB Team gegen England mit 0:2.

2020 könnte wieder ein wenig Davis Cup Atmosphäre zurückkehren. Deutschland hat ein Heimspiel gegen Weißrussland gezogen. In Runde 1 der Qualifikation für die Finalwoche, wiederum in Madrid, werden hoffentlich mehr als 60 deutsche Fans dabei sein.

Trotz allem Ärger im Vorwege, die anwesenden Spieler selbst äußerten sich positiv, allerdings mehr über die Organisation, die alle Wünsche erfüllen konnte. Über den zeitlichen Ablauf der Matche waren aber sogar die Spanier, allen voran Rafael Nadal unzufrieden, der am Abend bzw. frühen Morgen nach dem Halbfinale gegen die Briten seinen Unmut äußerte: „Ich bin jetzt vier Tage hintereinander erst gegen 4:00 Uhr morgens ins Bett gekommen, einmal war es sogar kurz nach 5:00 Uhr. Die zeitlichen Ansetzungen müssen geändert werden. Insgesamt sehe ich für die Zukunft eine Finalwoche mit acht Mannschaften als ideal an.“ Das sieht Gerard Pique ähnlich. Er gibt ehrlicherweise zu, dass noch nicht alles optimal war und verspricht Besserung. Sogar Gespräche mit dem Konkurrenten, der ATP, steht er offen gegenüber.

Pikant: In der Madrid Woche spielten Alexander Zverev und Roger Federer vier Schaukämpfe in Südamerika. Als Deutschland mit 60 Fans im Rücken in Madrid gegen 400 Argentinier antrat, unterhielten Zverev und Federer 24.000 argentinische Fans im Parque Roca von Buenos Aires. Schon alles sehr sonderbar.

Davis Cup Sieger 2019 wurde Spanien im Finale gegen Kanada mit einem überragenden Rafael Nadal, der kein Einzel und kein Doppel verlor. Allerdings hatte er auch keinen TOP 10 Konkurrenten auf der anderen Seite des Netzes.

Das letzte Wort hat der Vizepräsident Sport des DTB, Dirk Hordorff: „Das, was da in Madrid ablief, das war kein Davis Cup.“
 
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