YVONNE SCHELLER
Als Miguel in der sechsten Klassewar, kam ein Anruf: gefährdeter Übergang zur Realschule. Es sei denn, die Noten würden sich bessern. Miguel Grandt strengte sich an, aber es reichte nicht, er kam auf die Hauptschule. Dort fühlte er sich prompt unterfordert, ein Schulwechsel mit Unterstützung seiner Eltern – Vater Stahlbauschlosser, Mutter medizinisch-technische Radiologieassistentin – war die Lösung. „Meine Eltern haben mich immer unterstützt und gesagt: Tu, was dir wichtig ist!“ Das sei keineswegs selbstverständlich, weiß Miguel. Viele Eltern könnten das Ausbrechen aus dem Milieu nicht nachvollziehen und reagieren mit Unverständnis oder sogar mit Ablehnung.
Miguel hatte mit 16 Jahren seinen Realschulabschluss, und das sogar mit einem Notenschnitt von 1,7. Vorstellungen von seiner beruflichen Zukunft hatte er ebenfalls: Fußballmanager schien ihm attraktiv, jedenfalls ein Job mit Chefsessel und viel Geld sollte es sein. Kurz spielte er mit dem Gedanken an eine Ausbildung zum Bankkaufmann, orientierte sich dann jedoch an Freunden, die an weiterführende Schulen strebten.
Miguel machte als Erster in seiner Familie das Abitur. Erneut stand er vor einer Entscheidung: Berufseinstieg oder Studium? Warum nicht auch das probieren? Trotzdem lockte ihn zunächst die Berufswelt. Ein Jahr lang war er als Trainee bei einem Versicherungsmakler in der Kundenbetreuung tätig. „Ich stieß auf Menschen in maßgeschneiderten Anzügen, es war ein Haifischbecken mit coolen Managern“, erzählt Miguel.
Seine Entscheidung stand nun fest: Ein Studium sollte ihm weitere Optionen eröffnen. Das BWL-Studium an der Universität Hamburg schaffte er in der Regelstudienzeit. „Das ging nur mit sehr viel Lernen. Während andere feiern gingen, habe ich intensiv gearbeitet.“ Trotzdem fragte er sich immer wieder: Pack ich das? In der Familie gab es zwar Unterstützung, doch mit konkreten Tipps zum Studieren – Selbstmotivation, Zeit- und Organisationsmanagement – konnte ihm niemand helfen. Dann tat sich Miguel mit einem Kommilitonen zusammen, der eine ähnliche Geschichte hatte. „Wir haben uns gegenseitig motiviert“, so Miguel.
Als er mit seiner Bachelor-Note nur knapp an der Zulassung zum Master-Studium vorbeischrammte, wirkte das demotivierend. „Also habe ich mich über Alternativen zur Uni Hamburg informiert und mich für die Fernuniversität Hagen entschieden.“ Dabei stellte er fest: Studium ist nicht gleich Studium. Ohne die Präsenzveranstaltungen wie im herkömmlichen Studium fehlte eine klare Struktur, damit ein gewisses Maß an Sicherheit, und schon drängten sich wieder die Gedanken auf: „Schaff ich das alles überhaupt?“
Die meisten Fragen drehen sich um die Finanzierung
Er hat es geschafft. Miguel stellte sich auf die neuen Anforderungen ein, überwand Rückschläge wie missglückte erste Klausuren. Zudem dauerte das Studium länger als von ihm geplant, aber er biss sich durch. Dabei half ihm wiederum sein Kommilitone aus dem Bachelor-Studium. „Wir hatten uns zusammen für das Fernstudium entschieden und haben uns wieder gegenseitig gestützt.“ Miguel weiß, wie wichtig es ist, einen – oder mehrere – Unterstützer zu haben. Der Erste zu sein, der in der Familie Abitur macht und studiert, ist toll, aber man geht den Weg allein. Und tatsächlich ist mit dem Studienbeginn der Eintritt in eine andere Welt verbunden. „Ohne Stundenplan und Anwesenheitspflicht sich selbst zu organisieren ist ungewohnt und kann einschüchternd wirken“, sagt Miguel.
Auch aus diesem Grund engagiert er sich bei ArbeiterKind, einer bundesweiten Organisation von Ehrenamtlichen, die Studierenden der ersten Generation Hilfe und Unterstützung vor, während und nach dem Studium bietet, dann etwa bei Fragen zum Berufseinstieg. „Wir gehen in Schulen und erzählen von unseren eigenen Erfahrungen. Aber es kann sich auch jeder an uns wenden – per Mail, Telefon oder persönlich in unserer Sprechstunde“, sagt Miguel.
Die meisten Fragen vor, aber auch während des Studiums drehen sich um die Finanzierung, also um BAföG oder Stipendien. Und oft endet der Kontakt, wenn die Fragen beantwortet sind. „Es gibt aber auch längere Kontakte. Ich hatte mal eine Studentin, die mit einer ganzen Reihe von Problemen in die Sprechstunden gekommen ist“, berichtet Miguel. Ein offenes Ohr zu finden sei für sie schon eine Erleichterung gewesen. Anschließend habe er mit ihr zusammen einen Plan entwickelt: Wo gibt es Unterstützung für welches Problem? Was können die nächsten Schritte sein? „Wir blieben ungefähr ein Dreivierteljahr in Kontakt, und am Ende lief es für sie wieder ganz rund.“
Und Miguel, schwimmt er inzwischen mit den Haien im Maßanzug? „Anzüge sind weiterhin nicht meine bevorzugte Garderobe“, sagt er und lacht. Aber mit seiner Position als Junior Business Consultant in einer auf Versicherungen spezialisierten Unternehmensberatung ist er sehr zufrieden.
Als Miguel in der sechsten Klassewar, kam ein Anruf: gefährdeter Übergang zur Realschule. Es sei denn, die Noten würden sich bessern. Miguel Grandt strengte sich an, aber es reichte nicht, er kam auf die Hauptschule. Dort fühlte er sich prompt unterfordert, ein Schulwechsel mit Unterstützung seiner Eltern – Vater Stahlbauschlosser, Mutter medizinisch-technische Radiologieassistentin – war die Lösung. „Meine Eltern haben mich immer unterstützt und gesagt: Tu, was dir wichtig ist!“ Das sei keineswegs selbstverständlich, weiß Miguel. Viele Eltern könnten das Ausbrechen aus dem Milieu nicht nachvollziehen und reagieren mit Unverständnis oder sogar mit Ablehnung.
Miguel hatte mit 16 Jahren seinen Realschulabschluss, und das sogar mit einem Notenschnitt von 1,7. Vorstellungen von seiner beruflichen Zukunft hatte er ebenfalls: Fußballmanager schien ihm attraktiv, jedenfalls ein Job mit Chefsessel und viel Geld sollte es sein. Kurz spielte er mit dem Gedanken an eine Ausbildung zum Bankkaufmann, orientierte sich dann jedoch an Freunden, die an weiterführende Schulen strebten.
Miguel machte als Erster in seiner Familie das Abitur. Erneut stand er vor einer Entscheidung: Berufseinstieg oder Studium? Warum nicht auch das probieren? Trotzdem lockte ihn zunächst die Berufswelt. Ein Jahr lang war er als Trainee bei einem Versicherungsmakler in der Kundenbetreuung tätig. „Ich stieß auf Menschen in maßgeschneiderten Anzügen, es war ein Haifischbecken mit coolen Managern“, erzählt Miguel.
Seine Entscheidung stand nun fest: Ein Studium sollte ihm weitere Optionen eröffnen. Das BWL-Studium an der Universität Hamburg schaffte er in der Regelstudienzeit. „Das ging nur mit sehr viel Lernen. Während andere feiern gingen, habe ich intensiv gearbeitet.“ Trotzdem fragte er sich immer wieder: Pack ich das? In der Familie gab es zwar Unterstützung, doch mit konkreten Tipps zum Studieren – Selbstmotivation, Zeit- und Organisationsmanagement – konnte ihm niemand helfen. Dann tat sich Miguel mit einem Kommilitonen zusammen, der eine ähnliche Geschichte hatte. „Wir haben uns gegenseitig motiviert“, so Miguel.
Als er mit seiner Bachelor-Note nur knapp an der Zulassung zum Master-Studium vorbeischrammte, wirkte das demotivierend. „Also habe ich mich über Alternativen zur Uni Hamburg informiert und mich für die Fernuniversität Hagen entschieden.“ Dabei stellte er fest: Studium ist nicht gleich Studium. Ohne die Präsenzveranstaltungen wie im herkömmlichen Studium fehlte eine klare Struktur, damit ein gewisses Maß an Sicherheit, und schon drängten sich wieder die Gedanken auf: „Schaff ich das alles überhaupt?“
Die meisten Fragen drehen sich um die Finanzierung
Er hat es geschafft. Miguel stellte sich auf die neuen Anforderungen ein, überwand Rückschläge wie missglückte erste Klausuren. Zudem dauerte das Studium länger als von ihm geplant, aber er biss sich durch. Dabei half ihm wiederum sein Kommilitone aus dem Bachelor-Studium. „Wir hatten uns zusammen für das Fernstudium entschieden und haben uns wieder gegenseitig gestützt.“ Miguel weiß, wie wichtig es ist, einen – oder mehrere – Unterstützer zu haben. Der Erste zu sein, der in der Familie Abitur macht und studiert, ist toll, aber man geht den Weg allein. Und tatsächlich ist mit dem Studienbeginn der Eintritt in eine andere Welt verbunden. „Ohne Stundenplan und Anwesenheitspflicht sich selbst zu organisieren ist ungewohnt und kann einschüchternd wirken“, sagt Miguel.
Auch aus diesem Grund engagiert er sich bei ArbeiterKind, einer bundesweiten Organisation von Ehrenamtlichen, die Studierenden der ersten Generation Hilfe und Unterstützung vor, während und nach dem Studium bietet, dann etwa bei Fragen zum Berufseinstieg. „Wir gehen in Schulen und erzählen von unseren eigenen Erfahrungen. Aber es kann sich auch jeder an uns wenden – per Mail, Telefon oder persönlich in unserer Sprechstunde“, sagt Miguel.
Die meisten Fragen vor, aber auch während des Studiums drehen sich um die Finanzierung, also um BAföG oder Stipendien. Und oft endet der Kontakt, wenn die Fragen beantwortet sind. „Es gibt aber auch längere Kontakte. Ich hatte mal eine Studentin, die mit einer ganzen Reihe von Problemen in die Sprechstunden gekommen ist“, berichtet Miguel. Ein offenes Ohr zu finden sei für sie schon eine Erleichterung gewesen. Anschließend habe er mit ihr zusammen einen Plan entwickelt: Wo gibt es Unterstützung für welches Problem? Was können die nächsten Schritte sein? „Wir blieben ungefähr ein Dreivierteljahr in Kontakt, und am Ende lief es für sie wieder ganz rund.“
Und Miguel, schwimmt er inzwischen mit den Haien im Maßanzug? „Anzüge sind weiterhin nicht meine bevorzugte Garderobe“, sagt er und lacht. Aber mit seiner Position als Junior Business Consultant in einer auf Versicherungen spezialisierten Unternehmensberatung ist er sehr zufrieden.
Extra-Info
Vor dem Studium: Hilfe bei der Orientierung zum passenden Studiengang, der Bewerbung und der Finanzierung des Studiums.
Während des Studiums: Tipps zur Selbst- und Lernorganisation, Hilfe bei Problemen, Informationen zum Auslandssemester.
Nach dem Studium: Orientierung beim Berufseinstieg; www.arbeiterkind.de
Während des Studiums: Tipps zur Selbst- und Lernorganisation, Hilfe bei Problemen, Informationen zum Auslandssemester.
Nach dem Studium: Orientierung beim Berufseinstieg; www.arbeiterkind.de
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